
Es kam, wie es kommen musste. Irgendwann zu Anfang des Jahres 1984 fragten wir uns „Wohin fahren wir dieses Jahr in die Ferien?“ In den Jahren zuvor war diese Antwort immer schnell gefunden. Wir, meine damalige Freundin und heutige Frau Barbara oder kurz Bärbel und ich, hatten schöne Autoreisen nach Südosteuropa auf eigene Faust unternommen. Doch nun war die Zeit für ein anderes Ziel reif.
Unsere bisher gemachten Erfahrungen, die wir durch die eigene, individuelle Reiseplanung und das Meistern von unvorhergesehenen Situationen sammeln konnten, gaben uns Selbstvertrauen und Zuversicht, auch in schwierigeren Situationen bestehen zu können.
Aber ohne unseren Freund Erich wäre unsere weitere Geschichte des Reisens sicherlich anders verlaufen. Denn als es in einer geselligen Runde um das Thema Reisen und unser nächstes Reiseziel ging, sagte er “Fahrt doch mal nach Algerien“.
Ich habe heute, also nach vielen, vielen Jahren, diesen Satz noch immer im Ohr. Plötzlich stand der Name eines Landes vor uns, von dem wir wenig wussten. Wir verbanden eigentlich keine klare Vorstellung mit diesem Land. Erst langsam fügten sich die Dinge zusammen – sehr großes Land in Nordafrika, Atlasgebirge, ehemalige französische Kolonie und Sahara.
Und da war sie nun. Die Sahara. Erstmals kreisten unsere Gedanken um dieses Wort, diesen Raum, diese Landschaft. Konnte man dort hinfahren, in die Sahara? War das nicht eher ein abenteuerlicher als realistischer Gedanke? Übermächtig stand etwas vor uns, von dem wir noch keine Ahnung und kein Wissen hatten. Wir wollten es für uns erfahren und eine ganz persönliche Eroberung vornehmen.
Der Entschluss stand fest. Unsere Ferienreise ging in diesem Jahr nach Algerien und vor allem in die Sahara.

1984 Algerien, kalte Sahara, Umkehr?
Aber wie bereitet man sich erstmalig auf eine solche Reise vor? Was nimmt man mit an Dingen, die es vor Ort nicht gibt oder nur sehr schwer zu bekommen sind? Wir suchten also Rat bei Leuten, die solche Erfahrungen bereits gemacht hatten.
Da wir niemand persönlich mit Saharaerfahrung kannten, suchten und fanden wir letztendlich wertvolle Ratschläge im Buch von U. Eckert, Algerische Sahara. Dieses Buch war zum damaligen Zeitpunkt ein Standardwerk zu praktischen Reisefragen und selbst organisierten Reisen nach Algerien.
Eine der ersten Fragen, auf die man eine Antwort braucht, ist die zum verwendeten Reisefahrzeug. Je nach Reiseziel und der Art und dem Zustand der Wege dorthin ergeben sich die Anforderungen an das Fahrzeug.
Unsere Antwort war allerdings schnell gefunden. Denn als Student, dem nur bescheidene Mittel zur Verfügung standen, musste ich mit dem reisen, was mir gerade zur Verfügung stand. Und das war ein Opel Kadett Kombi. Da wir möglichst auf Teerstraßen unterwegs sein wollten, machten wir uns über die Eignung keine weiteren Gedanken.
Platz für die noch zusammenzutragende Ausrüstung war genügend vorhanden. Im Wesentlichen mussten wir uns noch mit Kanistern für die Trinkwasservorräte ausrüsten. Denn wir konnten nicht davon ausgehen, jeden Tag die erforderlichen Rationen auffrischen zu können. Auch einige Ersatzteile für den Wagen wurden vorsorglich noch gekauft oder ausgeliehen. Oh, was haben wir uns Gedanken darüber gemacht, was bei einer Wüstenreise am Auto alles defekt werden kann. Aber spezielle Erfahrungen mit einem Kadett hatte natürlich niemand. Und wer fuhr schon mit einem solchen Wagen in die Wüste. Also beschränkten wir uns nach Empfehlungen unserer Werkstatt auf Dinge, denen die hohen Temperaturen zusetzen konnten.
Für die Übernachtungen im Gelände genügten ein kleines Zelt, Klappliegen und Schlafsäcke. Proviant und Trinkwasserzusätze wurden für eine Reisedauer von vier bis fünf Wochen besorgt.
Auch das vorgeschriebene Einreisevisum musste rechtzeitig von der algerischen Botschaft in den Reisepass eingetragen werden.
Und dann fehlte eigentlich vor Reisebeginn nur noch die Schiffspassage von Europa nach Afrika. Wir wählten dafür die Überfahrt einer Autofähre von Marseille nach Algier und zurück. Diese Überfahrt mit den beiden Abfahrtterminen in Marseille und Algier stellten die einzigen Fixtermine der Reise dar. Diese Termine mussten wir einhalten. Alles was zwischen diesen Terminen lag, konnten wir frei gestalten. Der Abfahrttermin in Südfrankreich war ja noch gut kalkulierbar und planbar. Aber was würde bis zum Heimreisetermin alles passieren können?
Auch dieses Spannungsfeld war neu für uns und konnte durchaus als Reiz angesehen werden. Da das Schiff nur einmal wöchentlich fährt und man nicht sicher sein kann, dass zu einem späteren Termin noch Plätze frei sind, war es natürlich ratsam, diese zeitlichen Fixpunkte unbedingt einzuhalten. Diese Regel galt für unsere erste Saharareise und gilt auch heute noch bei geplanten und vorgebuchten Fährpassagen von und nach Afrika.
Nach Wochen der Reisevorbereitung starteten wir am 25. August 1984 Richtung Marseille. In Mühlhausen überschritten wir die gesicherte Grenze zu Frankreich. Auf den Nationalstraßen und der Rhonetalautobahn erreichten wir hinter Lyon den kleinen Ort Loriol. Hier genossen wir in einem kleinen Hotel den Komfort in Form einer sauberen Unterkunft und eines guten Essens mit Rotwein, den wir in Algerien sicher nicht mehr erwarten durften. Dessen waren wir uns bewusst. Man sieht, dass wir damit begonnen hatten, uns gedanklich schon voll und ganz auf eine andere Kultur einzustellen.
Nach dem Frühstück im Hotel fuhren wir auf der Nationalstraße weiter und direkt in das Hafengelände von Marseille. Hier mussten wir als Neulinge zunächst das Hafenbüro der Schifffahrtsgesellschaft SNCM finden. Dann war erst einmal Warten angesagt. Über eine Stunde dauerte es, bis wir endlich die Bordkarte für das Schiff erhielten. Im Wagen ging es dann weiter zur Polizeikontrolle. Dann konnten wir endlich in das große und weiß bemalte vor uns liegende Schiff einfahren.


Über das Mittelmeer nach Afrika
Wir nahmen die wichtigsten Sachen für eine sechsundzwanzigstündige Überfahrt aus dem Wagen mit uns. An der Rezeption bekamen wir eine Vierbett-Kabine zugewiesen. Diese teilten wir uns mit einem französischen Paar. Die Kabine war nicht abschließbar. Welche Gesinnungen hier auf dem Schiff unterwegs waren, ist schwer einschätzbar. Deshalb mussten wir unser Verhalten darauf einstellen und keinesfalls wichtige und wertvolle Dinge unbeaufsichtigt lassen.
Mit eineinhalb Stunden Verspätung legte das Schiff endlich ab. Eigentlich stand noch planmäßig ein Abendessen auf dem Programm. Aber nach kurzer Zeit auf See wurde uns so übel, dass wir darauf gerne verzichteten und uns in die Koje legten. Nach den ungewohnten Anstrengungen und Ereignissen des Tages schliefen wir alsbald ein.
Die Überfahrt verlief ruhig und entspannt. Dann kam endlich die Küste Afrikas immer näher. Etwas Neues, Erstmaliges spielte sich vor uns ab. Ein noch nie gesehener Kontinent, eine Küstenlinie, eine Stadt kam immer näher. Egal was jetzt vorging, wir sollten mit dem Verlassen des Schiffes in eine vollkommen andere Welt eintauchen. Wir wollten uns dem positiv gegenüberstellen. Nur das hilft weiter.
Mittags kamen wir im Hafen von Algier an. Über uns thronte die weiß aufragende Häuserfront aus der Kolonialzeit, die Kasbah. Doch dafür hatten wir noch keine rechte Muße. Denn wir mussten noch die Einreiseformalitäten bei Polizei und Zoll erledigen. Irgendwie schwammen wir in der Masse der Einreisewilligen mit. Erklärungen, wie und wo ein Formular auszufüllen oder ein Dokument abzustempeln war, gab es nicht. Wir gaben unserem Gespür freien Lauf und meisterten alle nötigen Stationen der Einreise. Dazu brauchten wir dann bis zur Beendigung drei Stunden.
Die Dämmerung war nicht mehr weit, und wir mussten zusehen, wo wir die Nacht verbringen konnten. Also nichts wie raus aus der Stadt. Diese wollten wir lieber am Ende unserer Reise erkunden. Wir fuhren in östlicher Richtung aus Algier heraus und durchquerten die Stadt El Harrach. Dann erreichten wir auf der N5 den Ort Thenia. Die Bebauung wurde aufgelockerter, eine notwendige Voraussetzung, um einen ruhigen Nachtplatz finden zu können. Wir fuhren noch ein Stück weiter bis zu dem kleinen Dorf Souk El Had. In dessen Nähe erreichten wir über einen Feldweg einen abgeernteten Getreideacker.
Unser Gefühl und unsere bescheidene Erfahrung in solchen Dingen sagten uns, dass das ein akzeptabler Rast- und Nachtplatz sei. Einen vorbeikommenden Bauer fragten wir, ob das in Ordnung wäre, hier ein Lager aufzuschlagen. Er gab uns mit dem größten Selbstverständnis zu verstehen, dass das vollkommen bedenkenlos sei, hier zu schlafen.
Nun kam unser Kuppelzelt erstmalig auf dieser Reise zum Einsatz. Schnell war dieses aufgebaut und mit den Klappliegen und den Schlafsäcken bestückt. Bis wir das Abendessen zubereitet hatten, war es auch schon dunkel. Die Dämmerung war merklich kürzer als zu Hause. Wir saßen unter Sternen in einer lauen Sommernacht.

Erste Gastfreundschaft
Plötzlich hörten wir aus der Dunkelheit Schritte auf uns zukommen. Wer will jetzt noch was von uns? Wir wollten eigentlich unsere Ruhe haben. Es war ein aufregender Tag. Aber es war nur der Bauer, mit dem wir schon gesprochen hatten. Er hielt in seinen kräftigen, schwieligen Händen eine brennende Kerze. Diese brachte er uns extra vorbei, damit wir nicht im Dunkeln sitzen müssten. Vorsichtig schützte er die flackernde Flamme mit der hohlen Hand. Wir waren erleichtert und froh über diese schöne gastfreundliche Geste eines Fremden uns Ausländern gegenüber. Über das nun erstrahlende Licht hinaus nahmen wir diese Begegnung als gutes Omen für unsere weitere Reise.
Am frühen Morgen lauschte ich dann angestrengt einem fremdartigen Geräusch, das sporadisch aus der Richtung des nahegelegenen gelegenen Dorfes kam. Es war noch dunkel und ansonsten absolut still. War es das Auspuffgeräusch eines Mopeds? Vielleicht sollten wir schon wieder Besuch bekommen, und wir lagen noch gut verpackt im Schlafsack. Eine so frühe Störung unseres Nachtlagers wäre uns sehr unpassend gewesen.
Nein, das war kein Moped. Es musste etwas anderes sein. Es dämmerte uns im wahrsten Sinne des Wortes. Nachdem wir zunehmend wacher in die Stille lauschten und das Geräusch fixierten, wurde uns klar, was das war. Es war der Ruf des Muezzins, der vom nächsten Minarett die Gläubigen zum Morgengebet, dem Fadschr, ruft. Wir waren in der Welt des Islam angekommen.
Wir fuhren weiter durch die Berge nach Osten in Richtung Bejaia. Dabei durchquerten wir ausgedehnte Korkeichenwälder. Die Straße war zwar in gutem Zustand, aber sehr kurvenreich. Deshalb waren wir froh, endlich wieder einmal über eine weit sichtbare Ebene zu fahren. Wir wollten gerne einen schönen Lagerplatz finden. Deshalb steuerten wir den am Weg liegenden Campingplatz am Meer an.
Nach einem kurzen Rundgang beschlossen wir aber weiterzufahren. Diese Stelle gefiel uns ganz und gar nicht. Alles war heruntergekommen, dazu noch das graue Wetter. Lieber weiterfahren, als hier Stunden in ungemütlicher Umgebung stehen zu müssen. Also folgten wir der Straße zwischen dem Meer und den sich auftürmenden Bergen. Auch auf diesem Abschnitt ergab sich keine Lagermöglichkeit. Und schon waren wir am Straßenabzweig nach Süden in Richtung Setif.
Wir tauchten ein in die Schluchten des Atlasgebirges. Hier war es so eng, dass ein vor uns fahrender Bus einen Tunnel nur mit größter Mühe durchfahren konnte. Bei jedem Gegenverkehr wurde angehalten, um zu überprüfen, wie man zu fahren hat, ohne sich gegenseitig zu berühren.
Zu unserer Überraschung tauchten plötzlich an der Straßenbrüstung Affen auf. Diese beobachteten das Geschehen auf der Straße, liefen zwischen den im Stau stehenden Autos umher und ließen sich fotografieren. Dieser Anblick bot sich in dieser Schlucht auf mehreren hundert Metern.

Abenteuerlicher Nachtplatz
Es drängte uns weiter, wir mussten einen Nachtplatz finden. Endlich endete die enge Schlucht an einem Stausee. Die Landschaft war eintönig und karg. Wir verließen die Straße und fuhren auf ein Feld. Im angrenzenden Haus fragten wir den vermeintlichen Besitzer um Erlaubnis zum Campieren. So abweisend wie uns die Landschaft vorkam, so verhielt sich auch der Bauer. Schon beim Ausladen der Ausrüstung besannen wir uns eines Besseren, packten wieder ein und fuhren weiter. Langsam aber sicher war unsere Stimmung auf dem Tiefpunkt. Es neigte sich schon der zweite Tag in Afrika zum Ende, ohne dass wir besonders schöne Dinge erlebt hätten. Die bisherigen Erlebnisse entschädigten keineswegs für die Strapazen. Hoffentlich gibt es bald eine Wendung.
Wir fuhren und fuhren. Es bot sich einfach keine passende Gelegenheit, um von der Bildfläche zu verschwinden und in Ruhe ein Nachtlager aufzuschlagen. Schon hinter Setif angelangt verließen wir in der Dunkelheit über einen Feldweg die Straße entlang einer Hecke. Hier wollen wir im Auto übernachten, ohne das Zelt aufzuschlagen. Bevor wir jedoch zur Ruhe kamen, besuchten uns einige jugendliche Einheimische. Unser Kommen war ihnen natürlich nicht verborgen geblieben. Sie hatten absolut nichts dagegen, dass wir hier standen. Aber wir mussten noch ihre Neugier befriedigen. Klar, sie wollten wissen, woher wir kamen, was wir in Algerien machten, ob wir etwas brauchten, Brot, Wasser. Höflich gaben wir Antworten, machten aber auch klar, dass wir sehr müde wären und jetzt schlafen wollten. Deshalb setzten wir uns ins Auto. Als eine schöne Geste der Gastfreundschaft erhielten wir auch noch eine Thermoskanne mit starkem Kaffee. In unserer Fantasie und der bedrängt empfundenen Lage malten wir uns aus, dass mit diesem Getränk ja was nicht stimmen könnte.
Wir nippten nur an den Tässchen und kippten den restlichen Inhalt, zum Glück war es stockdunkel, unbemerkt in einen leeren Becher auf dem Fahrzeugboden. Endlich zog sich die Gruppe mit einem Gute-Nacht-Gruß zurück. Nur noch Stille und Dunkelheit um uns. Wir kamen zur Ruhe und richteten uns auf den Sitzen für die Nacht ein.
Plötzlich ein Klopfen an meine Fahrertür. Was war denn noch? Ich öffnete vorsichtig die Scheibe einen Spalt breit. Der junge Mann wollte nur den Deckel für seine leere Kaffeekanne. Diesen hatten wir unbeabsichtigt im Dunkeln im Auto abgelegt. Dann konnten wir endlich schlafen.
Es war sehr kühl am Morgen. Wir hatten unsere Sachen schnell zusammengeräumt und verließen mit den ersten Sonnenstrahlen den Lagerplatz ohne Frühstück. Dies wollten wir an einem schönen Platz nachholen. Aber auf der weiteren Fahrt wieder nur trostlose Landschaft.
Dazu das bewölkte und kühle Wetter. Als wir etwas abseits der Straße Tisch und Stühle zum Frühstück aufbauten, wurden wir durch einen Uniformierten weitergeschickt. Rasten wäre hier nicht erlaubt. Also packten wir wieder zusammen und fuhren missmutig weiter. Meine Stimmung war dahin. Ich dachte echt ans Umkehren. Ich wünschte, ich könnte sofort an vertraute Orte von bisherigen Reisen gelangen. Und so diskutierten wir ernsthaft, erhebliche Änderungen an unseren Reiseplänen vorzunehmen.
Im Moment bereute ich es, hier zu sein. Der Gedanke, so weiterzufahren, ohne dass sich etwas grundlegend änderte, quälte mich. Und die Entfernungen sind groß in Algerien. Ich ließ mich von Bärbel überreden, mindestens noch bis El Oued weiterzufahren. Dort wollten wir sehen, wie es mit unserer Reise weitergehen konnte.
Also rollten wir weiter gen Süden entlang der Orte Magra und Barika nach Biskra. Und einige Kilometer nach Biskra vollzog sich endlich im Vergleich zu den letzten Tagen die erhoffte Änderung beim Wetter, der Landschaft und auch meiner Gemütslage. Es wurde endlich wärmer, der blaue Himmel war zu sehen. Die ersten für das Auge so wohltuenden gelben Dünen tauchten auf.


Die ersten Dünen
Später las ich irgendwo, dass Biskra auch das Tor zur Wüste genannt wird. Ein sehr treffender Vergleich. Für mich ein magisches Tor. Es eröffnete mir meinen sehr persönlichen Zugang zur Wüste.
Als wir zur Mittagszeit in El Oued ankamen, fühle ich mich das erste Mal auf dieser Fahrt zufrieden, glücklich und frei. Ich war froh, dass wir keine Umkehr unserer Reise vorgenommen hatten. Sonst hätte es wohl nicht so bald weitere Saharareisen gegeben.
Auf einer guten, aber schmalen Teerstraße fuhren wir in die Oase. Die Dünen traten immer näher an die Straße und überlagerten diese sogar an einigen verwehten Stellen. El Oued ist nicht, wie viele andere Oasen, von einem Palmenhain umgeben. Hier ist die Siedlung vielmehr von Sandtrichtern umgeben. In deren tiefliegendem Grund werden Palmen angepflanzt. Auf den Kämmen dieser Sandtrichter sind überall sichtbar trockene Sandwedel eingesteckt. Mit diesem Verfahren will man Sandbewegungen und das Zuwehen der Trichter verhindern. Die Oasenbauern führen so einen ständigen Kampf gegen Wind und Sand.
Befestigte Bürgersteige gab es nicht. Von Hauswand über die Straße zu Hauswand wehte überall Sand umher. Selbst die breite Hauptstraße war von Sandverwehungen bedroht. Es war Mittagszeit, und wir suchten wie gewohnt einen Platz für die Mittagsrast. In einer Nebenstraße bauten wir unter einer Palme unseren Tisch und die Stühle auf. Das sorgte natürlich bei allen, die uns sahen, und vor allem bei den Kindern für Aufsehen. Aus dem nächsten Haus kam ein älterer Mann zu uns und fragte, ob wir etwas bräuchten, Brot oder Wasser.

Eine sehr freundliche Geste, wenn man bedenkt, dass wir in übertragenem Sinne in seinem Vorgarten campierten. Alle Umstehenden beobachteten mit größtem Interesse jeden unserer Handgriffe. Die Mahlzeit verlief natürlich nicht ungestört, eher mit freundlichen Zuschauern. Erst nach einem Foto mit allen zusammen vor unserem Auto konnten wir weiterfahren.
Eine Übernachtung im Zelt war in oder am Rande der Oase für uns nicht möglich. Deshalb bezogen wir auf der Hauptstraße ein kleines Hotel. Es war sehr einfach, sauber und hatte eine Dusche im Zimmer. Unser Auto stand an einem sicheren Platz direkt vor dem Eingang.
Nach dem Frühstück fuhren wir weiter Richtung der Oase Touggourt. Die Straße führte wieder durch Bilderbuchwüste. Feiner, hellbrauner Sand aufgetürmt zu weich geformten Dünen. Diese reichten bis an den Asphalt und manchmal war dieser auch dünn überlagert. Für uns und unser Auto war es wichtig, dass der Sand nicht zu hoch auf der Straße lag. Aber es ging immer weiter.
Als wir an einem Palmtrichter anhielten, zeigten uns Kinder einen von ihnen gefangenen und angebundenen Wüstenfuchs. Das bedauerliche Tier sah recht erschöpft aus. Gegen Geld würden sie ihn freilassen. Wir zahlten lieber nichts, denn hinter der nächsten Düne würde das Tier sicherlich gleich wieder gehetzt und eingefangen, um dann den nächsten vorbeikommenden Reisenden ebenfalls vorgeführt zu werden. Aber ein Gruppenbild mit Fuchs mussten wir mindestens noch machen, bevor wir weiterdurften.
Ein Stück vor Touggourt zogen sich die Dünen weit von der Straße zurück. Und bevor wir die ersten Häuser der Stadt erreichten, durchquerten wir den ausgedehnten Palmengürtel. In einem dieser Dattelpalmhaine ließen wir uns für die Mittagspause nieder. Und sofort hatten wir wieder Besuch. Es war der Besitzer des angrenzenden Gartens.
Wir waren ihm sehr willkommen, und er zeigte uns seine Pflanzungen und erklärte uns die Oasenwirtschaft. Unter den hohen, schattenspendenden Palmen pflanzte er Tomaten, Gurken und Kohl an. Die Beete waren von Bewässerungsgräben begrenzt. Der junge Mann, er hieß Brahim, und sein kleiner Freund, den er dabei hatte, wollte von mir unbedingt fotografiert werden. Die Bilder sollte ich ihm dann zuschicken.
Im Gegenzug versprach er, uns nach der Ernte dann ein Paket Datteln nach Deutschland zu schicken. (Ich kann vorgreifend berichten, dass wir die Bilder nach Algerien geschickt haben. Kurze Zeit später erhielten wir ein großes Paket sehr guter Datteln von Brahim zugeschickt. Das hat er sogar mehrere Jahre gemacht. Das letzte Paket kam im März 1987. Seitdem haben wir nichts mehr voneinander gehört.)

In der Stadt hielten wir uns nicht lange auf. Wir fuhren gleich zirka 160 Kilometer weiter in die nächste Oase Ouargla. Hier fanden wir ein kleines, nicht so teures Hotel zum Übernachten. Vor einem Restaurant trafen wir deutsche Reisende, mit denen wir uns unterhielten. Sie wollten mit ihrem VW Bus bis an die Elfenbeinküste fahren.
Am Morgen besuchten wir den Markt der Oase. Es herrschte sehr reges Treiben. Bei bedrückender Enge spürte man die südländische Geschäftigkeit.
Weiter fuhren wir in Richtung Ghardaia, wobei wir unterwegs noch einen Abstecher zur kleinen Oase Zelfana unternahmen.


Bevor wir in die Oasen des Mzab in das vor uns liegende Tal abfuhren, hielten wir an einem Aussichtspunkt an und genossen den herrlichen Blick über die grünen Dattelpalmhaine. Bei dieser Rast lernten wir einen schweizer Reisenden kennen, der alleine nach Tamanrasset unterwegs war. Wir würden ihn später wieder treffen.
Eine weitere Oase mit einem ganz anderen Charakter als die bisherigen Oasen nahm uns auf, nachdem wir die Hochebene verlassen hatten und in das Tal einfuhren.
Da der von uns ersehnte örtliche Campingplatz geschlossen war, quartierten wir uns leider wieder in einem Hotel ein. Am Abend besichtigten wir mit einem Führer die Heilige Stadt Beni Izguen. Diese dürfen Fremde nur in Begleitung eines offiziellen Ortskundigen betreten.
Unser Führer war ein freundlicher und liebenswürdiger alter Mann. Er führte uns geradewegs vom Eingangstor bis zum befestigten, höchsten Platz in dem Ort und erzählte über die Verhältnisse und das Leben der Bewohner.
Es war sehr interessant, durch die engen, verwinkelten Gassen nach oben zum Stadtmauerturm zu gehen. Es tat sich ein herrlicher Blick über die im sudanesischen Stil gebauten Häuser auf, und man sah die umliegenden weiteren kleinen Ortschaften.
Der Tag verabschiedete sich mit einem kurzen leichten Regenguss und einem herannahenden Sandsturm.


Wir hatten uns entschlossen, nun doch noch weiter nach Süden zu fahren, zur nächsten Oase El Golea. Vor der Weiterfahrt besichtigten wir noch die Oase Ghardaia.
Hier wurde uns das erste Mal auf dem Marktplatz Geld zum illegalen Wechseln angeboten. Der Kurs war zwar sehr gut, aber da wir aus Unwissenheit alle unsere Devisen bei der Einreise ordentlich deklariert hatten, war tauschen leider nicht möglich. Die schmale Straße bei El Golea war zwar gut zu befahren, aber vier Stunden im Auto bei 46° C genügten uns für diesen Tag. Vor der Stadt reichten wieder Bilderbuchdünen bis an die Straße heran.

Unsere Erwartung, einen schönen Campingplatz vorzufinden, erfüllte sich nun endlich. Ein wunderbar mit Palmen bepflanzter Platz mit einer Umfassungsmauer und vielen grünen Pflanzen. Es gefiel uns hier sehr gut. Die einzigen anwesenden Reisenden waren zwei Deutsche mit ihren Motorrädern. Sie wollten am nächsten Morgen weiter nach Tamanrasset. Am Abend traf überraschend Ernst, unser schweizer Bekannter von vor zwei Tagen, auf dem Platz ein. Wir alle verbrachten gemeinsam den Abend vor unseren Zelten.
Am Morgen verließen alle drei die Oase Richtung Süden. Leider hatten wir unsere Adressen nicht ausgetauscht, um später erfahren zu können, wie die jeweiligen Reisen verlaufen sind. Wir genossen den ganzen Tag in der Stille des Platzes, die trockene Wärme im Schatten und das Rauschen der Palmwedel.
Vollkommen überraschend war es, als am Abend die beiden Motorradfahrer zurückkamen. Denn einer schleppte den anderen mit einem Seil ab. Mit Kupplungsschaden war die BMW etwa 150 km hinter El Golea liegengeblieben. Nun wollten sie das Motorrad auf dem Campingplatz reparieren. Zuvor mussten sie aber auf eine neue Kupplungsscheibe aus Deutschland warten.


Von zwei Algeriern wurden wir angesprochen, ob wir Kleidung verkaufen könnten oder Geld wechseln wollten. Wir fuhren mit ihnen aus der Oase heraus an den Rand des Palmenhains. Hier waren wir ungestört von der Obrigkeit, und es entbrannte ein lebhafter Handel um die Preise für die Sachen, die wir verkaufen wollten. Das waren Jeans, Schuhe, Hemden und ein kleiner Fotoapparat. Beiden Parteien waren zufrieden mit dem Ergebnis des Handels, und es war eine schöne Erfahrung, so mit den jungen Leuten in Kontakt zu treten.
El Golea
Die Besichtigung des alten Festungsberges machten wir in Begleitung von zwei Kindern, die sich als Führer angeboten hatten. Gemeinsam streiften wir durch die Ruinen und sahen die alte Moschee und einen tiefen Brunnen. Oben auf dem Berg hatten wir einen vollkommenen Überblick auf die grüne Oase und die sie umgebende Wüste.
Und schon wieder erlebten wir am Nachmittag eine ungewöhnliche, für uns freudige, für den Betroffenen weniger freudige Überraschung. Es ist Ernst, der mit seinem Auto vor uns steht. Leider musste er auf seinem geplanten 1000-Kilometer-Reiseabschnitt nach Tamanrasset kurz hinter Arak wegen technischer Probleme umdrehen. Die Beschreibung seiner Erfahrungen und der gefahrenen Piste faszinierten uns. Für uns war das ferne Tamanrasset unerreichbar und auch nicht geplant. Es war eine unbeschreiblich spannende Atmosphäre, die herrschte, als ein Zurückgekommener, solche wie wir und solche, die die Strecke noch vor sich hatten, zusammensaßen und erzählten.

Vom Campingplatzbetreiber wurden alle anwesenden Reisenden zum Mittagessen eingeladen. Der Grund für diese Freundlichkeit war das heutige Opferfest. Der Überlieferung nach sollte an diesem Tag ein Mensch geopfert werden, doch Allah bestimmte dann ein Schaf als Opfer. Deshalb will es der Brauch so, dass heute Schafe geschlachtet werden, wenn man sich mit Feinden versöhnt und Fremde in sein Haus einlädt.
Zu essen gab es Couscous, der in einer großen Schüssel auf dem Boden serviert wurde. Wir saßen alle um die Schüssel herum und schöpften mit je einem Löffel aus ihr. Der Hausherr verteilte dazu an jeden von uns kleine Fleischbrocken. Als dann die Schüssel in unserer Mitte fast geleert war, begann die Teezeremonie. Alle bekamen ein kleines Glas vor sich auf den Boden gestellt, in das der mit Zucker zusammen aufgebrühte Pfefferminztee eingeschenkt wurde. So wurden in gewissen Abständen dreimal die Gläser gefüllt. Zwischendurch musizierte der Gastgeber auf seiner Laute. Und wir schlugen auf kleinen Trommeln den Rhythmus dazu. Nach dem dritten Glas Tee bedankten und verabschiedeten wir uns.

Am Abend tauchten wir ein in die Menge der Oasenbewohner, die auf dem Platz unterhalb der Burg zu Trommelklängen tanzten.
Eine ganz in weißen langen Kitteln gekleidete Männergruppe bewegte sich rhythmisch im Kreis, sie schwangen alte Vorderladergewehre. Mit ohrenbetäubendem Lärm wurden diese alle gleichzeitig abgefeuert. Über der Gruppe schwebte der Pulverdampf.

Früh morgens verließen wir El Golea, um unsere Reise fortzusetzen und in die nächste Oase Timimoun zu fahren. Ernst hatte seine Reisepläne geändert und wollte uns begleiten. Leider hatten wir uns am Vortag vermutlich mit schlecht gewaschenen Datteln der Magen verdorben. Uns plagten heftige Magenschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Dies erschwerte natürlich den Abbau des Lagers und das Beladen der Autos. Trotzdem machen wir uns auf in die 360 Kilometer entfernte „Rote Stadt“. Unterwegs mussten wir einige Zwangspausen einlegen, um uns abseits der Straße in der flachen Kies- und Steinwüste Erleichterung zu verschaffen.
Am nächsten Tag fühlte ich mich wieder wohler. Die eingenommenen Kohletabletten waren das richtige Medikament für mich. Wir schlenderten durch die Oase und bewunderten die zum Teil kunstvoll errichteten roten Lehmbauten.

Timimoun
Mit Ernst starteten wir in seinem Suzuki zur schön beschriebenen Sebka-Rundfahrt. Aber nach kurzer Zeit gaben wir das auf. Zu dritt war es auf der schlechten Piste in dem kleinen Auto unzumutbar, vernünftig zu fahren.
Ernst hatte immer noch erhebliche Gesundheitsprobleme. Deshalb fuhren wir nicht mehr weiter nach Südwesten, sondern beschlossen, am nächsten Samstag mit einem Fährschiff früher zurückzufahren. In Ghardaia wollten wir im dortigen Reisebüro deshalb die Schiffstickets umbuchen. Noch im Dunkeln verließen wir Timimoun und fuhren auf der bekannten schmalen, einspurigen Straße dem Sonnenaufgang entgegen.


Einmal wurden wir auf freier Strecke von der Polizei kontrolliert. Diese wollte nur alle Papiere von uns sehen. Und schon bald kamen wir auf dem Campingplatz in El Golea an. Hier trafen wir auch wieder Axel, den Motorradfahrer mit dem Kupplungsschaden. Der ADAC hatte seine neue Kupplung nach Algier geschickt. Diese lag im Zollhafen und musste von Axel persönlich ausgelöst werden. Nach mehreren Versuchen hatte er einen Inlandsflug von El Golea nach Algier erkämpft. Und das im wahrsten Sinn. Denn trotz gültigem Flugticket kam er einmal nicht durch das Gedränge rechtzeitig zum Abflug. Er berichtete uns, dass in Algier alle Hotels besetzt waren und er drei Nächte im Schlafsack unter freiem Himmel übernachten musste. Als er dann endlich am Zoll vorgelassen wurde, musste er sieben Schalter passieren, um alle möglichen Papiere abzufertigen. Mit der neuen Kupplung unterm Arm fuhr er dann mit dem Bus die beschwerliche Strecke von Algier hierher. Und jetzt stand er vor uns, aber die Kupplung passte nicht. Sie war zu groß. Also hatte er sich aufgemacht, um in der Oase eine Drehbank zu finden. Zum Glück wurde er in einer Schule fündig und konnte seine neue Kupplung der alten anpassen. Nach dem Einbau lief sein Motorrad wieder und er brach nochmals auf, um das 1000 Kilometer ferne Tamanrasset doch noch zu erreichen.

Ernst hatte 40 Grad Fieber mit Verdacht auf Typhus und wollte so schnell wie möglich über Tunis nach Hause fahren. Er schloss sich deshalb zwei Franzosen an, die den gleichen Weg hatten.
Zwei Deutsche mit einem zwanzig Jahre alten Hanomag waren auch auf dem Campingplatz eingetroffen. Sie wollten nach Ost-Afrika weiterfahren, aber ein Teil ihrer Kupplung war beschädigt. Da Ernst wiederum in Ghardaia jemand kannte, der Ersatzteile für Hanomag verkaufte, schloss sich dieses Paar unserem Konvoi für die Fahrt in die nächste Oase an.
Dort angekommen, begaben wir uns sofort ins Reisebüro. Dort erhielten wir allerdings die Antwort, dass wir hier unser Ticket nicht ändern könnten. Das wäre für uns nur in Algier und für Ernst nur in Tunis möglich. Wir trennten uns deshalb hier, da wir ja nach Algier mussten.
Plötzlich standen wir wieder nur zu zweit da. Mit einem etwas traurigen Gefühl nach den aufregenden letzten Tagen unter anderen Reisenden fuhren wir weiter nach Norden. Mit Verlassen der Oase wurde uns bewusst, dass die schönen Sanddünen am Wegesrand nun nicht mehr auftauchen würden und weit hinter uns lagen.
Mit einem Schlag hatten wir das Gefühl, der Urlaub sei vorbei, obwohl wir noch über eine Woche Zeit hatten. Denn was vor uns lag, machten wir nur notgedrungen. In Laghouat übernachteten wir, um am nächsten Nachmittag in Algier anzukommen. Bärbel plagten den ganzen Tag schon starke Kopfschmerzen.
Auf der weiteren Fahrt zog sich die Wüste immer mehr zurück, und sattes Grün trat wieder in den Vordergrund. Der Übergang von der Wüste durch das Gebirge an das Meer nach Algier war bis auf einige Straßenbaustellen mit Schotterbelag und nur wenigen Serpentinen problemlos.


In Algier
In der Stadt angekommen versuchten wir als erstes, das SNCM-Reisebüro zu finden. Da wir dieses in Hafennähe vermuteten, begannen wir dort unsere Suche. Nach einmaligem Fragen fanden wir das Büro oberhalb des Hafens an einer großen Straße. Doch es hatte leider ab zwölf Uhr geschlossen. Am morgigen Freitag öffnete es nicht und am Samstag erst um neun Uhr. So standen wir da und hatten immer noch keine Gewissheit, ob wir am Samstag um elf Uhr abreisen könnten. Jetzt mussten wir eben noch zwei Nächte in Algier mit dieser Ungewissheit verbringen.
Die Hotelsuche gestaltete sich nicht gerade problemlos. Wir fuhren viel umher. Dies war vor allem für Bärbel mit ihren starken Kopfschmerzen sehr, sehr unangenehm. Nach langer Zeit fanden wir endlich ein freies Zimmer in einem kleinen Hotel. Bärbel legte sich sofort hin und schlief ein. Endlich Ruhe. Ich schaute mich im Zimmer etwas um und fand dabei in einem Schrank noch fremde Kleider und in der Nachttischschublade eine angegessene Pizza. Nach den aufregenden Ereignissen des Tages ließ mich dies aber unbeeindruckt.

Nach einiger Zeit war die Ruhe aber dahin. Der Hotelportier klopfte an die Tür. Und kaum hatte ich diese geöffnet, stürmte eine Frau ins Zimmer und öffnete den Kleiderschrank. Nachdem sie ihre Sachen wohlbehalten vorgefunden hatte, war sie erst einmal beruhigt. Der Portier machte uns klar, dass er uns das falsche Zimmer gegeben hatte. Dieses war schon durch die hereinstürmende Frau belegt. Er bat uns daher, in ein anderes Zimmer umzuziehen. Dieses war geräumiger, lag zur Straße hin und bot einen schönen Blick auf die alten Kolonialhäuser. Als ich später nochmals ans Auto kam, um noch etwas zu holen, machte mich ein Einheimischer darauf aufmerksam, das Gepäck nicht im Auto zu lassen. Und ich solle das Auto auch nicht in der dunklen Seitenstraße stehen lassen. Dankend befolgte ich seinen Rat und parkte vor dem Hotel auf der hell erleuchteten Straße. Dort angekommen gab mir der Hotelportier wiederum zu verstehen, dass der Inhalt meines Wagens am nächsten Morgen mit absoluter Sicherheit nicht mehr da wäre, da von Dieben geklaut. Die wertvollsten Dinge brachte ich daher ins Hotelzimmer. Er schlug mir vor, ins nächste Parkhaus zu fahren und beschrieb mir den Weg dorthin. Ich fand das Parkhaus tatsächlich, allerdings erhielt ich vom Wächter keinen Einlass. Seine Erklärungsversuche verstand ich nicht. Ein großes Stahltor hinter ihm war verschlossen. Also fuhr ich zurück vor das Hotel, mit dem Gedanken, das Auto doch davor zu parken. Doch der Hotelportier sagte mir wieder, ich solle hier nicht mit den restlichen Sachen im Auto parken. Er beschrieb mir den Weg zur nächsten Polizeistation, um nachzufragen, wo eine sichere Parkmöglichkeit sei.

Also fuhr ich wieder los und fand auch tatsächlich bald die Polizeistation, und das im nächtlichen, mir unbekannten Algier. Leider sprach hier niemand englisch, und Bärbel war leider im Hotel geblieben, da sie noch immer rasende Kopfschmerzen hatte. Sie hätte mit französisch hier mehr erreichen können. Aber irgendwie verstand mich der Polizist doch und meinte, dass hier das Parken auf der Straße auch nicht sicherer sei. Er gab mir die Adresse der nächsten Polizeistation. Diese hätte einen Parkplatz. Um die Wegbeschreibung zu notieren, wollte ich ihm ein Stück Papier aus dem Auto holen. Dazu versuchte ich die Beifahrertür aufzuschließen. Es blieb tatsächlich ein Versuch, denn der Schlüssel ging nicht ins Schloss. In diesem Moment wurde mir blitzartig klar, dass sich schon jemand am Auto zu schaffen gemacht und dabei das Schloss zerstört hatte. Das abgebrochene Ende einer dünnen, schmalen Feile steckte im Schlitz des Schlosses. Hätte das Schloss nicht standgehalten, wäre das Auto leer gewesen.
Also fuhr ich schleunigst bei einsetzendem Regen zu der angegebenen Adresse. Dort blieb ich allerdings auch erfolglos und wurde abgewiesen.
Sehr beunruhigt suchte ich unser Hotel auf und parkte wieder vor dem Eingang. Ich räumte alles von außen Sichtbare aus dem Auto und trug es in den dritten Stock des Hotels in unser Zimmer. Auch das Autoradio baute ich aus dem Armaturenbrett aus. So hofften wir, dass das Auto nun nicht mehr attraktiv für einen Dieb aussah.
Die Nacht war unruhig. Immer wenn wir wach waren, ging ein prüfender Blick hinab zum Auto. Bei dieser Gelegenheit erschlug ich mit dem Schuh eine sehr große Schabe, die auf dem Boden des Zimmers deutlich hörbar umher rannte. Am nächsten Morgen war diese aber auf wundersame Weise verschwunden.
Tagsüber erkundeten wir die berüchtigte Altstadt. Es zogen sich enge, dunkle Gassen den Berg hoch. Hier kam man nur zu Fuß voran. Es war wie in einem Labyrinth. Aber wenn wir bergab liefen, stießen wir wieder auf den breiten Boulevard oberhalb des Hafens. Eine weitere Nacht mit der Ungewissheit, ob wir wie gewünscht zurückfahren können, überstanden wir in unserem Hotel unbeschadet.

Abschied von Afrika
Wir hatten es geschafft und waren auf dem Schiff. Und das in 1. Klasse in einer Zweier-Kabine. Das einzige Problem war, dass wir nicht auf der Passagierliste von heute standen. Daraufhin erfuhren wir unsere Kabinennummer erst, nachdem wir über eine Stunde vor einem Schalter ausharrten. Und das mit einer drückenden Menschenmenge hinter uns, die auch auf die noch verbliebenen Kabinen aus waren. Das Auto wurde in der Zwischenzeit von Schiffsbediensteten ins Schiff gefahren. Die Polizei- und Zollkontrolle ging reibungslos vor sich. Unsere Deklarationspapiere gingen anstandslos in die Hände eines Zöllners über.
So betraten wir nun zur Mittagszeit das Schiff und ließen sogleich einen Tisch im Restaurant für das Mittagessen reservieren. Und das perfekt aufgetragene Essen war für uns der Abschied von Afrika, dem Leben in der Wüste und zugleich der Wiedereintritt in die westliche, europäische Lebensweise. Mit einer Stunde Verspätung legte das französische Schiff ab. Abends genossen wir ein umfangreiches, siebengängiges französisches Menü.
Über Nacht hatte der Seegang spürbar unangenehm für uns zugenommen. Wir waren nicht in der Lage, zum angekündigten Frühstück zu gehen, und wir ließen es, wie so viele andere auch, ausfallen. Wir machten uns vielmehr bereit, um von Bord zu gehen.

Wir machten uns vielmehr bereit, um von Bord zu gehen. Um zwölf Uhr legten wir bei strahlendem Sonnenschein in Marseille an. Da wir früh ins Schiff gefahren waren, kamen wir nun auch schnell wieder heraus. Die anschließende Kontrolle bei Polizei und Zoll ging sehr zügig voran. Etwa eine halbe Stunde nach dem Anlegen konnten wir den Hafen und somit die Stadt verlassen und fuhren gen Osten, um in Cavalaire den mir bekannten Campingplatz aufzusuchen. Es waren nicht mehr viele Leute auf dem Platz.
Morgens wurden wir von der aufsteigenden Sonne und dem strahlend blauen Himmel geweckt. Beim Frühstück hatten wir dann nach Wochen wieder Eier und Butter zur Auswahl. Am Strand erwartete uns der Massentourismus, von dem wir in Algerien verschont geblieben waren. Nach einigen Stunden unter der Sonne war es uns zu viel, inmitten dieser Menschenmassen zu liegen.
In der Nacht regnete es. Da das Zelt trocknen musste, verzögerte sich unsere Abfahrt etwas. Zur Mittagszeit wollten wir schon in der Schweiz sein. So fuhren wir noch etwas an der Côte d’Azur entlang, um dann nach Norden abzubiegen. Wir hatten uns schon lange vorgenommen, am Grand Canyon vorbeizufahren. Auf engen und kurvenreichen Straßen erreichten wir diese Schlucht bei zunehmend schlechterem Wetter. Neben dem Regen kam nun auch noch Nebel hinzu. Wir sahen zwar die grandiosen Felseinschnitte mit dem am Grund fließenden Wasser, doch das nasse Wetter verleidete uns etwas die Freude.

Und so waren wir froh, allmählich aus den Seealpen heraus auf besser zu befahrende Straßen zu kommen. Wir näherten uns Grenoble und befuhren nun die Autobahn. Zügig erreichten wir die Schweiz. Ab und zu musste ich allerdings am Motor die Zündkerzen reinigen, da sich immer wieder Ablagerungen zwischen den Zündelektroden bildeten und der Motor nicht mehr richtig lief. In einem Ort am Genfer See fanden wir ein Hotel zum Übernachten.
Bei unserem weiteren Weg durch die Schweiz fielen uns die schönen, gepflegten und sauberen Anwesen, Städte und Landschaften auf. Von unterwegs riefen wir bei Ernst, unserer Reisebekanntschaft, an. Und tatsächlich meldete er sich. Er war gesund zu Hause angekommen und freute sich auf ein Treffen mit uns. Dazu verabredeten wir uns an der Autobahnabfahrt in Horgen bei Zürich. Als wir uns in den Armen lagen, freuten wir uns mächtig, nach all den überstandenen Strapazen.
Wir verbrachten noch gemeinsam die nächsten beiden Tage. Dabei erkundeten wir Zürich. Abends führte uns Ernst in ein abgelegenes Restaurant, das in betuchten Kreisen der Züricher Gesellschaft zurzeit als Geheimtipp gehandelt wurde. Leider, denn die Abgeschiedenheit und Natürlichkeit dieses Anwesens steht in krassem Gegensatz zu Luxus und Prestigegehabe der aufkreuzenden High Society.

Die Spezialität des Hauses waren gebackene Forellen. Das Menü schmeckte hervorragend. Auf dem Rückweg kehrten wir noch in einer typischen Bauernkneipe ein. Hier traf Ernst einige Bekannte. Als diese mitbekamen, welche Reise wir hinter uns hatten, spürten wir, dass sie kein Verständnis für eine Fahrt in die Wüste hatten, ja einer solchen Person fast den Verstand absprachen. „Bauern sind ein hartes Volk“, kommentierte Ernst.
Vor der letzten Etappe der Heimfahrt wechselte ich noch den defekten Unterbrecherkontakt des Zündverteilers aus.
Wir verabschiedeten uns herzlich von Ernst und fassten ins Auge, in zwei Jahren gemeinsam nach Afrika zu fahren.
