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Jun 5, 2006 | Nordafrika

Libyen 2006 – „Guck du lieber mal nach vorne“

Reisebericht von Kalle Finger

 

Libyen, Erg Ubari, auf der direkten Strecke von Gabron nach Brak: Wir folgen dem gut sichtbaren Spurenbündel in dem breiten Dünental nordwärts. Wie so oft wenn es das Gelände zulässt oder auch zuzulassen scheint , schweifen meine Blicke in die Ferne, nicht nur um die wunderschöne Dünenlandschaft zu genießen, sondern auch immer wieder um auszuloten, wo man hier die Dünen queren könnte. Im Laufe der letzten Jahre habe ich darin einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Vielleicht ist das sogar schon zu einer Art Manie geworden. Claudia, meine tapfere Beifahrerin, bedient den Funk. Sie macht die Nachfolgenden auf besondere Gefahrenpunkte aufmerksam – man ist ja schließlich unter Freunden – oder sie hält ein Schwätzchen. „Wer ist heute mit Kochen dran, was steht auf der Speisekarte, haben die Mopeds noch genug Sprit im Tank“ und ähnliche überlebenswichtige Angelegenheiten werden da besprochen. Als Claudia gerade mal wieder zu einer eher harmlosen Verkehrsdurchsage angesetzt hat, bemerkt sie plötzlich unmittelbar vor uns ein übles Loch und registriert gleichzeitig in böser Vorahnung aus den Augenwinkeln, dass sich meine Blicke mal wieder an einem entfernten Dünenkamm festgefressen haben. Abrupt unterbricht sie den gerade begonnenen Warnhinweis und schleudert mir ein „Guck Du lieber mal nach vorne“ rüber. Ich gehorche aufs Wort und kann so dem hinterhältigen Hindernis noch gerade so ausweichen, allerdings nur suboptimal. Für mich ist die Sache damit auch schon erledigt. Diesen Satz höre ich doch nun öfter und weiß ihn zu schätzen. Hat er uns doch schon vor manch harter und schräger Überraschung bewahrt. Bei dieser ganzen Aktion hat Claudia vergessen die Sprechtaste des Funkgerätes loszulassen. So werden unsere Freunde unerwartet Zeuge unserer internen Kommunikation. Es muss für sie sehr lustig gewesen sein. Noch abends beim Essen amüsieren sie sich köstlich über diesen unfreiwilligen Live-Ausschnitt aus unserer Pistenzweisamkeit.
 
Die Reise hat natürlich nicht in Gabron begonnen. Die ersten Sondierungsgespräche finden bereits Anfang des Jahres (2006) statt. Im Frühjahr formiert sich dann die Reisegruppe. Mit von der Partie wollen sein: Toni, Geli und Angelika auf ihren Mopeds, Sascha mit Hund Gonzo in seinem Toyota, Jochen in seinem grünen Mercedes G, Ermanno, der Italiener, in seinem kurzen Landy und schließlich Claudia und ich in meinem Toyota.
 
Im Juni erreicht uns die erste Überraschung: Geli ist schwanger. Natürlich wissen Toni und Geli das schon länger, aber es hat sich als ratsam herausgestellt, mit dieser frohen Kunde etwas zurückhaltend zu sein. Während der Reise im Oktober/November wird sie im 7. Monat sein. Das Moped bleibt natürlich zu Hause, aber Geli könnte ja bei Jochen mitfahren. Sie möchte sich diese Option bis kurz vor der Reise offen halten. Ich kenne Geli schon länger und werde ihre Entscheidung mittragen.
 
Der Sommer wartet dann mit der nächsten Überraschung auf, allerdings dieses Mal mit einer richtig bösen. Zusammen mit einer großen italienischen Gruppe, mit der ich schon öfter unterwegs war, breche ich Ende Juli zu einer vierwöchigen organisierten Saharareise auf, die uns durch Libyen, Tschad, Niger und Algerien führen soll. Die Reise steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Bereits in Tunesien gerät ein Italiener unverschuldet in einen Unfall und wirft in dessen Folge sein Auto auf der Asphaltstraße um. In Tripolis bleibt ein Toyota mit Motorschaden stehen. Kurz vor den Kufra-Oasen reißt mein Innentank, gefüllt mit 200 Liter Diesel, auf. Etliche Liter ergießen sich in den Innenraum. Im Tschad legt ein weiterer Italiener sein Auto auf regendurchweichter, glitschiger Piste ohne Fremdeinwirkung auf die Seite. Im Niger, bereits auf der Rückreise, wenige Kilometer nördlich von Agadem schlägt das Schicksal am 21. August gegen 17 Uhr endgültig richtig zu: Wir werden von schwer bewaffneten Banditen überfallen und verschleppt. Einer von ihnen steuert mein Auto. Ich sitze auf dem Beifahrersitz. Er fährt wie ein Besessener. Es passiert was passieren musste: Durch ein abruptes Lenkmanöver bringt er mein Auto dazu, sich einmal um die Längsachse zu drehen. Es bleibt völlig demoliert auf der Seite liegen. Im allgemeinen Durcheinander vergessen mich die Banditen einfach. Ich unternehme nichts, sie daran zu hindern. So bleibe ich zurück und kann mit Hilfe meines Satellitentelefons über Freunde das Krisenzentrum in Berlin alarmieren, das dann seinerseits noch in der Nacht auch die italienischen und lokalen Behörden aktiviert. Am nächsten Tag kommen 20 der 22 Verschleppten wieder zurück. Die Banditen haben meine Freunde in der Nacht ausgeraubt und die 20 dann wieder fahren lassen, während sie Claudio und Ivano sowie die Toyotas von Bruno und Alessandro mitgenommen haben. Mein Toyota wird wieder auf die Beine gestellt, und  wir „Noch-Einmal-Davongekommenen“ setzen unsere Heimreise fort, ab Bilma bis zur tunesischen Grenze unter Militärschutz. Unterwegs erfahren wir, dass die Banditen – sie selbst bezeichnen sich als Rebellen – Claudio und Ivano als Geiseln genommen haben und sich mit ihnen in einem weitgehend verminten Gebiet im Tibesti versteckt halten.
 
Zuhause angekommen ziehe ich Bilanz: Einen gehörigen Schock, ein vollkommen demoliertes Auto und zwei Freunde in der Gewalt von Banditen mitten in der Sahara sind das Resultat. Kann ich unter diesen Umständen in 6 Wochen wieder in die Wüste fahren? Nach einigen Tagen Bedenkzeit entschließe ich mich, es zu wagen. Wenn ich es jetzt nicht tue, tue ich es vielleicht nie wieder. Das wäre zu schade. Ein Freund will mir netterweise seinen Geländewagen zur Verfügung stellen. Damit wäre dann ein Hauptproblem schon gelöst. Auch meine Reisefreunde sind zufrieden. Steht doch nun unserer gemeinsamen Fahrt fast nichts mehr entgegen.
 
Wir bekommen weiteren Zuwachs. Nein, Geli erwartet keine Zwillinge. Melanie, die Freundin von Sascha, kommt nun auch mit. Die Vorbereitungen gehen in die Endphase. Spät beauftragen wir eine libysche Agentur mit der Erledigung der notwendigen Formalitäten. Mit Shati Zuara haben wir eine sehr gute Wahl getroffen. Die Preise sind günstig, man ist sehr freundlich und spricht deutsch, die Abwicklung ist zuverlässig. Für die Verpflegung unterwegs testen wir ein neues Verfahren: Wir bilden 4 Gruppen. Jede besorgt die Zutaten für jeweils 4 Abendessen für die ganze Mannschaft und wird dann auch für deren Zubereitung in der Pampa zuständig sein. Das wird – hoffentlich – für eine abwechselungsreiche Küche sorgen und verteilt von Anfang an die Lasten gleichmäßiger als bisher. An meinem Leihwagen kann und will ich nicht viel rumbasteln. Die spärliche Inneneinrichtung muss einfach reichen. Lediglich für die beiden Funkgeräte und das GPS-Gerät baue ich eine provisorische Halterung zwischen die beiden Vordersitze. Geli fühlt sich sehr wohl. Sie hält Rücksprache mit ihrer Hebamme. Diese hat keine Einwände. War die Hebamme schon mal im Erg Murzuq?
 
Es ist Freitag. Gegen 19 Uhr wollen Claudia und ich in Richtung Genua losfahren. Bis um 17 Uhr muss ich im Büro bleiben. Ich bin diese Woche dummerweise auch noch für die Hotline zuständig. Gegen 16 Uhr bittet mich ein Kollege um einen Gefallen. Ich soll per Fernwartung bei der Feuerwehr in Leipzig eine Softwarekomponente, mit der ich eigentlich nichts zu tun habe,  überprüfen. Sollte eigentlich ein harmloser Akt sein. Es kommt wie es kommen musste: Ich reiße – natürlich unbewusst – dieses mir unbekannte Stück Software nieder. Der Systemadministrator in Leipzig läuft Amok. Die Arbeit der Brandschützer ist stark beeinträchtigt. Gegen 18:30 können wir das System wieder zum Leben erwecken. Ich bin mit den Nerven ziemlich am Ende. Gegen 21:30 – also zweieinhalb Stunden später als geplant – fahren wir in Köln auf die Autobahn. Um 13 Uhr fahren wir am Samstag in Genua wieder runter. Im Hafen ist unsere Reisegruppe dann komplett: Sascha, Melanie und Hund Gonzo in ihrem Toyota HZJ78, Jochen mit Angelika in seinem grünen Mercedes 300 GD, Ermanno in seinem kurzen Landy, Toni und Geli in ihrem VW-Transporter mit zwei Mopeds drin und Claudia und ich in unserem Leihwagen, auch ein Toyota HZJ78. Noch im Hafen erreicht mich die frohe Kunde: Das italienische Fernsehen hat gerade gemeldet, dass Claudio und Ivano frei sind und heute noch in Verona landen werden. Ich bin glücklich. Eine schönere Nachricht hätte es in diesem Augenblick nicht geben können.
 
Die Überfahrt nach Tunis, die Fahrt zur libyschen Grenze und die Einreise in dieses Land verlaufen problemlos. Isam, unser libyscher Begleiter für die nächsten 3 Wochen, steigt bei Ermanno ein. Dieser ist zwar nicht begeistert – hat er doch gedacht, der libysche Polizist  fahre in einem eigenen Auto mit Chauffeur – willigt schließlich notgedrungen ein. Am Dienstag erreichen wir Ghadames. Dort kann Toni seinen VW-Bus stehen lassen. Wir besichtigen die Altstadt. Der Besuch ist sehr empfehlenswert. Wir packen die Mopeds aus. Am nächsten Tag geht es dann endlich los. Geli, die werdende Mutter, steigt als Beifahrerin in Jochens Benz und Toni und Angelika sitzen endlich auf ihren Mopeds. Über Asphalt geht es noch bis Darj, doch dann endlich auf die Piste südwärts. Am frühen Nachmittag treffen wir auf eine Gruppe Libyer mit zwei Autos. Eines hat sich überschlagen. Der Fahrer hat eine Fleischwunde oberhalb des Knies. Sascha verbindet das Bein. Ich muss natürlich an meinen Überschlag von vor 8 Wochen denken. Was hätte da alles passieren können. Eine  leichte Rippenprellung hatte ich mir zugezogen, das war alles. Wie es zu diesem Unfall hier gekommen ist, bleibt unklar. Wir fahren weiter und verlassen irgendwann die Piste.  Zum Erg Ubari schaffen wir es leider nicht mehr und müssen auf der Ebene übernachten. Am nächsten Tag erreichen wir dann endlich die Dünen des Ergs. Endlich bin ich da, wo ich hin will. Es ist ein wunderschönes Gefühl, über die Dünen zu gleiten, diesen schier unermesslichen Formenreichtum betrachten und in sich aufsaugen zu können. Wenn es zu Hause mal wieder so einen grauenhaften, verregneten, sonnenlosen Tag gibt oder wenn im Büro mal wieder alles schief geht, was schief gehen kann, dann denke ich oft an diese grandiosen Sandlandschaften, denke ich daran, wie schön es wäre, wenn ich auf einer Düne sitzen und dieses Panorama genießen könnte. Manchmal wirkt das sogar. Claudia ist zum ersten Mal hier. Sie muss sich erst noch an das Dünen Fahren gewöhnen, an das ständige Auf und Ab, die Schräglagen, das Überqueren von Dünenkämmen, das Runterrutschen an den Schütthängen Doch sie freundet sich erstaunlich schnell mit dieser Fortbewegungsart an und findet zunehmend Vergnügen daran.

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Oued Aramt

>Aus einem Haufen von Gps-Punkten einer früheren Reise – da wusste man vor lauter Punkten gar nicht mehr wohin – haben wir 5 gemacht und folgen diesen durch den Erg Ubari etwa entlang des mittlerweile berühmten 11. Längengrades Richtung Süden, Richtung Al Awaynat. Es ist wunderschön, die Dünen sind nicht allzu schwierig. Die dünenfreien, teilweise üblen Passagen weiter im Süden bleiben uns auf dieser Strecke weitgehend erspart. Knapp 70 Km vor Al Awaynat drehen wir – einem Ausläufer des Ergs folgend – nach Westen ab, um ins Aramat zu fahren. Wir erreichen das Plateau und dringen tief in das immer enger werdende schöne Oued ein. Hier gibt es reichlich Vegetation. Ich kann es mal wieder nicht lassen, seitlich die Felswand zu erklimmen. Mit herrlichen Aussichten oben auf dem Plateau werde ich belohnt. Doch nun muss ich wieder runter. Die gut 1,5 Meter hohe, unangenehme Steinstufe im unteren Teil wartet schon auf mich. Langsam lasse ich mich an ihr runter gleiten und muss dann los lassen, um das letzte kleine Stück halb fallend, halb springend zu überwinden. Wenn ich jetzt einen falschen Impuls erwische, lege ich die restlichen 20 Meter auch noch im freien Fall zurück. Wäre sehr unschön. Doch es geht gut. Mit noch leicht zitternden Knien erreiche ich meine Freunde wieder. Das Tal hier erinnert mich schon ein wenig an das Oued Imirhou, das gut 100 Km weiter westlich in Algerien liegt. Doch letzteres ist weitaus imposanter. Ach Algerien, wie gerne möchte ich da mal wieder hin.

Wir fahren zurück und halten nun auf Al Awaynat zu. Ermanno, immer darauf bedacht, ja nichts zu versäumen, überredet mich auf halber Strecke, mit ihm einen Abstecher ins Meridet zu machen. Während sich die anderen schon zu sehr mit der Aussicht auf die anstehende Dusche in Al Awaynat angefreundet haben, machen Ermanno, Claudia und ich uns auf den Weg in das uns noch unbekannte Gebiet, von dem ich schon öfter gehört habe und von dem ein eindrucksvolles Foto auf einem der Campingplätze in Tekerkiba hängen soll. Schnell erreichen wir den Ort unserer Neugierde, sehen aber – wie so oft aus der Distanz – nichts besonderes, bevor wir plötzlich in eine Art Wald von fantastisch geformten, bis zu 30 Meter hohen Felsspitzen gelangen. Wir bewegen uns motorisiert und zu Fuß etwa 2 Stunden umher und können uns gar nicht satt sehen an diesen in gelbem Sand gebetteten Felsformationen, die unsere Fantasie gerade zu beflügeln. Dann müssen wir zurück, wollen wir doch heute noch Al Awaynat erreichen, wo unsere Freunde – hoffentlich – schon warten. Doch eines ist klar: Ich werde zurückkehren und mir dann mehr, viel mehr Zeit nehmen. Ich versteh nicht, warum dieser Ort nicht viel bekannter ist. Verdient hätte er es zweifellos. Ist etwa die Konkurrenz von Akkakus und Wadi Mathendous einfach zu groß?

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Oued bei Meridet

Bis Al Awaynat sind es nur gut 30 Km Luftlinie Richtung Ost-Nord-Ost. Dazu müssten wir aber den kleinen Erg, der westlich der Straße Al Awaynat – Ghat liegt, durchqueren. Das verkneifen wir uns – wir wollen ja heute noch ankommen – und fahren nördlich am Erg vorbei, um dann von Nordwesten kommend in Al Awaynat einzulaufen. Unsere Freunde haben sich auf dem Campingplatz schon breit gemacht, soweit die 30 dort versammelten französischen Camper das zugelassen haben. Wir restaurieren uns wieder und vertrauen uns – wie fast immer wenn es möglich ist – der einheimischen Gastronomie an. Isam, unser Libyscher Begleiter, ist natürlich besonders froh. Kann er sich doch endlich mal wieder sprachlich problemlos mitteilen. Mit uns ist die verbale Kommunikation nur sehr eingeschränkt möglich, da Isam nur einige Brocken Englisch und Italienisch spricht und wir nur wenige Wörter arabisch können. Dennoch haben wir Isam in unser Herz geschlossen. Er ist sehr freundlich, sehr diskret, hilft, wo er nur kann, spielt sogar immer wieder mit Gonzo. Aber auch Isam fühlt sich offensichtlich sehr wohl in unserer Gesellschaft.
 
Weiter geht es zum Wadi Mathendous. Wir fahren über die Asphaltstraße knapp 100 Km Richtung Ubari, biegen dann auf eine gut präparierte Piste ab, die einem Oued folgend im Zickzack Richtung Wadi Mathendous führt. Doch plötzlich ist die Rennpiste zu Ende und wir quälen uns über üble Bulldozer-Pisten im Schneckentempo die fehlenden 50 Km bis zum Wadi Mathendous. Unsere Gedanken sind bei Geli. Wird die werdende Mutter diese Tortur überstehen? Was wird der kleine Gregor denken? Schon seit Beginn der Reise hilft die ganze Mannschaft selbstlos und unaufgefordert den werdenden Eltern bei der Suche nach einem Namen für den erwarteten Stammhalter. ‚Gregor’ führt die Hitliste seit langem ungefährdet an. Einwände der Eltern können nicht berücksichtigt werden. Sie sind in der Minderheit.
 
Geli und der kleine Gregor halten sich tapfer. Jochen gibt sich ja auch die größte Mühe, die Rüttelei auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Schließlich ist sein Auto ja auch als Konferenzmobil und nicht als mobiler Kreissaal zugelassen. Dennoch kann er sich einige unflätige Bemerkungen über die Konsistenz des Fruchtwassers bei dieser Schüttelei nicht verkneifen.
 
Wir erreichen das Wadi Mathendous knapp 10 Km oberhalb der berühmten Felsgravuren und übernachten im weichsandigen Oued. Über eine steile Felsrampe verlassen wir das Oued nach Süden, um dann außerhalb zu dem Nachlass einer längst vergangenen Epoche zu gelangen. Mit dem Alleinsein ist es hier vorbei. Über 10 Fahrzeuge stehen auf dem ausgewiesenen Parkplatz. An die 50 Personen sind zugegen, Touristen, Einheimische, Schmuckverkäufer aus Schwarzafrika. Die Eintrittspreise sind auf einem großen Schild ausgewiesen. Die Umzäunung ist zwar bereits wieder in einem desolaten Zustand. Dennoch sieht es so aus, dass die Libyer nun ein wachsames Auge auf ihr Weltkulturerbe werfen. Das ist auch gut so. Es soll ja Leute gegeben haben, die hier mit Hammer und Meißel ganze Platten mit Gravuren aus dem Fels gebrochen und mitgenommen haben. Die Gier der Menschen ist einfach grenzenlos. Wir machen einen ausgiebigen Rundgang. Die Kameras laufen heiß. Die Gravuren sind beeindruckend. Dennoch bin ich ein wenig enttäuscht. Hatte ich mir doch alles noch viel imposanter vorgestellt. Meine Erwartungshaltung war einfach zu groß. 

Nach dem Kulturprogramm wenden wir uns profaneren Dingen zu. Wir machen den fliegenden Händlern unsere Aufwartung. Während Gonzo und ich auf diesen Programmpunkt hätten verzichten können – in meiner Brust schlägt halt kein Händlerherz, ich kaufe lieber da ein, wo der Festpreis König ist – ist bei den anderen ein gewisses Interesse durchaus erkennbar. Man betrachtet, bewundert, diskutiert, handelt, feilscht, geht weg, kommt wieder, zeigt sich interessiert, fasziniert, desinteressiert, brüskiert. Jochen, seit langem Afrika erfahren und hinreichend des Französischen mächtig, erweist sich in dieser Disziplin wieder als echter Profi. In kürzester Zeit findet er einen direkten Draht zu den Händlern und verhandelt dann auf Augenhöhe mit ihnen. Auch den Schwarzafrikanern scheint das sichtlich Spaß zu machen. Diverse Schätze wechseln ihren Besitzer. Irgendwie finde ich das ja dann doch interessant. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal einen Versuch starten.

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Feilschen auf Augenhöhe

Endlich geht es weiter, dem nahen Erg Murzuq entgegen. Schnell erreichen wir die ersten Dünen. Sie stehen noch isoliert. Zwischen ihnen sind breite, gut zu befahrende Gassis. Nach etwa 15 Kilometern in Richtung Süd-Ost, etwa dort wo die ersten Sandriegel zu queren sind, schlagen wir oben in den Dünen unser Lager auf. Es ist später Nachmittag, das Licht ist genial und wir genießen die Aussicht auf die fantastische, in Rot getauchte Dünenlandschaft. Alle sind sichtlich zufrieden. Sascha kramt das Buch „Pistenbeschreibung einer Libyenreise 1994 – 1995“ von Frithjof Ohin raus und liest aus dem Kapitel „Reisepartner“ vor: „… Es hat sich herausgestellt, dass die ideale Zusammensetzung aus 2 Autos mit je 2 Personen besteht. 3 Fahrzeuge sind noch tragbar aber es sind eigentlich schon zu viele Personen. 6 Individualisten unter einen Hut zu bringen und jedem seine Bedürfnisse zu erfüllen, kann schlimmer sein als einen Sack Flöhe zu hüten. 4 Fahrzeuge sind der reinste Horror. Man stelle sich vor, man muss mit 4 Autos während der Stoßzeit durch Sabha oder Tripolis und keiner weiß so recht, wo man eigentlich hin will. Das Tanken und Wasser auffüllen dauert eine Ewigkeit, das Einkaufen ist ein Drama, weil immer irgend jemand einen Sonderwunsch hat. Morgens bei der Abfahrt, alle sitzen im Auto, die Motoren laufen, aber einer muss immer noch einmal aufs Klo, was nicht so schlimm wäre, wenn nicht nach 10 km der nächste schon wieder austreten müsste. Menschen können einen Krieg führen, wenn es um die Übernachtung geht. Der eine will hinter der Düne, der andere vor der Düne, einer im Tal, einer auf dem Berg, einer im Freien der nächste in der Hölle übernachten. Sie werden ewige Diskussionen führen, die zu nichts führen und ihre Frau oder Freundin dreht Ihnen den Hals um, weil Sie schon wieder nachgegeben haben. Tun Sie sich das nicht an, man will ja schließlich Urlaub machen und sich erholen….“
 
Wir sind mehr als amüsiert. Demnach müsste unsere Tour der reinste Horrortrip sein. Nein, wenn die Interessen und Vorstellungen der Reisepartner nicht allzu sehr auseinander klaffen, wenn Vertrauen, Rücksichtnahme und Toleranz insbesondere in heiklen Situationen praktiziert werden, kann eine Reise mit einer größeren Gruppe zu einem richtig schönen Erlebnis werden. Zu sehen wie sich die Reisepartner in dieses gemeinsame Unternehmen einbringen, wie sie sich für dessen Gelingen einsetzen, erzeugt ein schönes Gefühl. Sascha liest noch dies und das aus dem ‚Ohin’ vor. Wir haben noch viel Spaß. Das Buch ist empfehlenswert.
 
Zwei bis drei Tage möchten wir ab morgen im Erg Murzuq rumkurven. Auf der Satellitenkarte legen wir dazu einen Kurs fest, der uns in einem Bogen etwa 150 Kilometer durch den Erg führen soll, bevor wir am großen Landwirtschaftsprojekt nördlich des Ergs unser Sandvergnügen beenden möchten. Ob das so machbar ist, weiß ich nicht. Hier bin ich zum ersten Mal, weiter südlich war ich schon öfter. Wir starten unseren Versuch. Die Sandpassagen werden zwar schwieriger, sind aber noch problemlos zu meistern. Beim Queren eines der Dünentäler geraten Claudia und ich vollkommen unerwartet – wir sind gerade in einen Plausch vertieft – in ein übles Fechfech-Loch. Auf 15 Metern kommt das Auto von Tempo 40 aus in dem mehlartigen Material von selbst zum Stehen und erzeugt dabei eine riesige Staubwolke. Kurzzeitig kann ich das Lenkrad nicht mehr sehen, soviel Staub hat sich dank der offenen Seitenscheiben auch im Innenraum ausgebreitet. Nach dem ersten Schreck müssen Claudia und ich laut lachen, obwohl es ja eigentlich nichts zu lachen, sondern nun viel zu säubern gibt. Ermanno befreit mich mit der Seilwinde aus der misslichen Situation. Der Zwischenfall sorgt auch bei unseren Freunden für viel Erheiterung. Jochen und Sascha spielen vor lauter Begeisterung in dem Fechfech-Loch und bewerfen sich mit dem feinen Staub wie Kinder. Wir schlagen unser Lager auf. Wir haben heute 50 Kilometer geschafft und liegen damit gut im Plan. Noch vor dem Essen erkunde ich die nicht ganz leichte Passage zum nächsten Tal zu Fuß. Diese überwinden wir dank meiner Vorarbeit auch zügig, doch der Trend hält an: Es wird immer schwieriger. Mehrmals muss ich die Strecke vorher wieder zu Fuß erkunden, die oberen Dünenkämme ablaufen, bevor ich eine machbare Passage über die Querriegel finde. Und dann ist es immer noch schwer genug, besonders für Jochen mit seinem Powerbolzen, dem 84-PS-Benz.

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Endlich im Murzuq

An das Dünen Fahren hat sich Claudia zwischenzeitlich mehr als gewöhnt. Sie findet es genial, genauso wie die Landschaft. Mehr noch, so langsam entwickelt sie auch diesen gewissen Blick für das Gelände, diese Einschätzung, wo man fahren kann, wo man fahren könnte und wo man es besser erst gar nicht versucht. Und so wetteifern wir immer öfter mit unseren Prognosen. Sie macht sich gut als Co-Pilotin. Vier Augen sehen mehr als zwei. Auch in der Sahara. Natürlich sind unsere Gedanken auch immer wieder bei Geli, der werdenden Mutter, und dem kleinen Gregor, unserem blinden Passagier. Wie werden sie mit dem ständigen Auf und Ab fertig? Geli fühlt sich pudelwohl. Die Rüttelei auf der Bulldozer-Piste war viel schlimmer. Aber was wird der kleine Gregor denken? Wir freuen uns schon drauf, ihm das später mal persönlich erklären zu können. So lange muss er noch warten.

Wir machen Campo. Vom gestrigen sind wir ganze 18 Kilometer entfernt. Nach dem Essen studieren wir wieder die Satellitenkarte. In 25 Kilometern Entfernung in Richtung Nord-Ost beginnt ein langes Gassi, das fast bis zum Ende des Ergs führt. Aber da müssen wir erstmal hin. Die Gegend sieht auch auf der Karte ganz schön verblockt aus. Wie immer legen wir eine Route fest und markieren sie mit Wegpunkten, die wir dann in unsere GPS-Geräte transferieren. Wir starten. Nach 5 Kilometern – an unserem Wegpunkt 5a – stehen wir vor einem mächtigen Querriegel. Die einzig mögliche Passage ist eine lange, im oberen Teil steile und enge Sandrampe. Beim ersten Versuch bleibe ich 3 Meter, beim zweiten schon 6 Meter vor dem ersten Kamm stecken. Die Engstelle war schon vom ersten Anlauf teilweise ruiniert. Hier hat Jochen keine Chance. Wir müssten ihn hoch tragen. Claudia und ich fahren ins südlich angrenzende Tal. Hier ist die Situation ähnlich. Beim zweiten Versuch an der einzig möglichen Stelle bleiben wir wiederum weiter unten hängen. Wir kehren zurück zu den anderen und haben verdammt viel Dusel, dass wir aus dem Tal überhaupt wieder raus gekommen sind. Wir studieren die Satellitenkarte. Wenige Kilometer zurück könnten wir versuchen, in ein nördlich gelegenes Tal zu gelangen. Das würde uns – nach Karte – vermutlich einige Kilometer weiter in unsere Richtung bringen. Über eine Stunde laufe ich die Kämme ab. Jedes Mal, wenn ich einer möglichen Passage nachgehe, lande ich früher oder später in einem Kessel, in den wir mit den Autos vielleicht rein, aber wahrscheinlich nie wieder raus kämen. Wir beraten uns. In spätestens vier Tagen müssen wir den Erg verlassen haben. Sonst können wir unsere Fähre in Tunis vergessen. Darüber hinaus bieten uns die verbliebenen Wasser- und Benzinreserven auch keine allzu großen Spielräume mehr. Damit steht die Entscheidung fest: Wir fahren zurück. Wir werden zwar nicht immer direkt unseren Spuren folgen können – wir sind ja so manch steilen Schütthang runtergerutscht – aber im Prinzip kennen wir das Gelände und wenn wir den Hinweg in 2 Tagen geschafft haben, werden wir für den Rückweg wohl auch nicht viel länger brauchen. Während ich zunächst noch etwas dran knabbern muss, vor den Dünen kapituliert zu haben, sind die anderen ganz fröhlich, Jochen sogar richtig glücklich. Hat er doch jetzt noch garantiert 100 Kilometer Erg Murzuq vor sich.

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Dünensurfen im Murzuq

Los geht es, unsere Richtung ist jetzt Süd-West. Wir passieren unseren letzten Lagerplatz und erreichen die Stelle, wo wir rechts die steile Düne runter gerutscht sind. Da haben wir jetzt keine Chance. Also geht es geradeaus im Tal weiter. An einem unscheinbaren Querriegel fahre ich unachtsam einen Abhang runter und finde mich plötzlich in einem ausgewachsenen Kessel wieder. Erst nach diversen Versuchen und nochmaliger Reduzierung des Reifendrucks komme ich – mittlerweile unerwartet – doch noch raus. Während Jochen und Ermanno eine einfache Umfahrung wählen, fährt Sascha zu allem Überfluss auch noch in das Loch, kommt aber zum Glück beim ersten Versuch dicht neben meiner letzten Spur auch wieder raus. Wir sind bedient und machen Campo. Weiter geht es, dem Tal entlang bis zum nächsten Querriegel. Der Sand ist butterweich. Schließlich rutschen wir die steilen Schütthänge runter, an denen wir beim Hinweg kapitulieren und deswegen ins benachbarte Tal ausweichen mussten. Wir folgen jetzt wieder für kurze Zeit unseren Spuren vom Hinweg, bevor diese von einem steilen Schütthang kommend erneut unseren Blicken entschwinden. Wir folgen weiter unserem Tal. Mehrfach versuchen wir, ins benachbarte Tal zu wechseln, um unsere Spuren vom Hinweg aufzunehmen. Doch es gelingt einfach nicht. Wir erreichen einen weiteren Querriegel. Zu Fuß erkunde ich ihn. Es reiht sich Kessel an Kessel, den Abschluss bildet eine kaum zu überwindende hohe Querdüne. Ich beginne zu verzweifeln. Sind wir hier am Ende? Müssen wir wieder umdrehen? Welche Alternativen hätten wir dann noch? Ich guck mir das Gelände noch mal genau an. Ja da gäbe es vielleicht doch noch eine Möglichkeit. Da müssten wir aber durch einen sehr tiefen Kessel und anschließend in einer sehr bedenklichen Schräglage an einem Kessel vorbei auf eine höher gelegene Plattform, von wo aus wir die quer liegende Düne überwinden könnten. Ich gehe die ganze Strecke noch einmal ab und entschließe mich, es zu versuchen. Und es klappt, aber nur weil der Untergrund an den entscheidenden Stellen hart genug war. Das hätte auch anders ausgehen können. Als wir alle drüber sind, atme ich tief durch. Weiter geht es. Wir treffen auf Spuren, vermutlich von Touristen. Sie haben genau unsere Richtung. Wir folgen ihnen. Das erleichtert das Fahren schon beträchtlich. Es geht nun zügig weiter. Irgendwann drehen unsere Spurenzieher ab und wir sind wieder auf uns allein gestellt. Es kommen zwar noch einige knifflige Stellen, ich muss auch noch mal zu Fuß los, aber das Schlimmste haben wir hinter uns. Es wird nun immer leichter. Wir machen Campo. Es wird das letzte im Murzuq sein. Wir genießen noch einmal diese wunderschöne Dünenlandschaft in vollen Zügen. Das Licht ist wieder genial.

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Schattenspiele

Wir schlagen uns zu einem langen Gassi ganz im Norden des Murzuq durch, das uns direkt zum Landwirtschaftsprojekt führt. Das Dünenvergnügen ist damit erst mal vorbei. Am späten Nachmittag erreichen wir Tekerkiba. Wir restaurieren uns und vertrauen uns wieder der örtlichen Gastronomie an. Endlich bekomme ich auf dem Campingplatz auch das Foto von Meridet zu Gesicht, von dem ich schon öfter gehört habe. Ja, da muss ich noch mal hin.

Wir starten Richtung Mandara. Die Strecke dorthin ist total zerspurt. Für Angelika und Toni auf ihren Mopeds muss das die Hölle sein. Haben sie doch schon im Normalfall auf ihren Mopeds mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen als wir in unseren vierrädrigen Karossen. Ermanno ist ohnehin tief beeindruckt, wie Angelika die Reise mit ihrem Moped meistert. Er spricht von der Frau aus Eisen, womit er seine Hochachtung zum Ausdruck bringen möchte. Wenn er wüsste, wo Angelika mit Moped und Fahrrad schon überall war, würde er ihr vermutlich auch noch den Ehrentitel Signora Avventura (Frau Abenteuer) verleihen. 

Nach einem kurzen Rundgang in Mandara fahren wir nach Um el Ma weiter. Zusammen mit Gonzo gehen wir im See baden. Es macht allen Spaß, Gonzo ganz besonders. Es folgt der zweite – obligatorische – Programmpunkt: Der Besuch bei den fliegenden Händlern. Da ich mich manchmal an meine Vorsätze halte, schaue ich dieses Mal interessierter zu als am Wadi Mathendous. Mir fällt ein Rahmen aus Leder auf, so 15 mal 25 Zentimeter groß,  mit den 21 verschiedenen Touareg-Kreuzen drin. Das wäre doch was. Ich frage nach dem Preis. Knapp 300 EUR wollen sie dafür haben. Klar, das ist die Ouvertüre, bis zum Finale ließe sich natürlich noch einiges bewegen. Doch auch Jochen glaubt, dass die Schallmauer noch deutlich über 100 EUR liegen wird. Soviel möchte ich aber nicht ausgeben und starte erst gar keinen Versuch. Zu Hause wird es mir vielleicht leid tun, doch hier und jetzt kann ich mich einfach nicht dazu durchringen. Gonzo war schlauer. Er hat sich nach dem Bad gleich in die Sonne gelegt. Weitere Touristen kommen an. Wir machen uns auf den Weg nach Gabron. Ich kenne da eine Abkürzung. Nur mit viel Mühe überwinden wir die Dünenkette. Kurz vor Gabron schlagen wir hoch oben in den Dünen unser Lager auf und genießen zum letzten Mal die wunderschöne, bei diesem genialen Licht in Rot getauchte Landschaft.

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Wie üblich trinken wir am Morgen ausgiebig Kaffee und rutschen dann nach Gabron runter. Da ist schon was los. Einheimische, Touristen, fliegende Händler geben sich ein Stelldichein. Natürlich machen wir den Schwarzafrikanern unsere Aufwartung. Natürlich haben auch sie diesen Rahmen mit den Touareg-Kreuzen. Natürlich kann ich mich auch hier nicht entschließen. Natürlich ist Jochen wieder in seinem Element.

Gegen Mittag brechen wir auf. Wir wollen auf direktem Weg nach Brak. Soll irgendwie gehen. Während wir uns nördlich die Dünen hoch quälen, stoßen wir auf ein Spurenbündel. Wir folgen ihm. So überqueren wir den mächtigen Dünenkamm – ohne unsere freundlichen Vorfahrer wäre das ein richtiger Akt geworden – und folgen weiter den Spuren in dem breiten Dünental. Die Richtung stimmt. Wie so oft wenn es das Gelände zulässt oder zuzulassen scheint , schweifen meine Blicke in die Ferne, nicht nur um die wunderschöne Dünenlandschaft zu genießen, sondern auch immer wieder um auszuloten, … . Na ja, die Geschichte ist ja jetzt bekannt. Einmal haben wir noch einen unangenehmen Dünenzug zu queren, dann ist der Weg frei nach Brak. Am späten Nachmittag trudeln wir dort ein. Hinter Brak machen wir Campo. Nun ist Asphalt angesagt, nur Asphalt. Via Shwayrif und Gariyat erreichen wir Darj. Geli, der kleine Gregor und ich sind vorausgefahren und haben in Ghadames den VW-Bus geholt. Kurz hinter Darj machen wir Campo und laden die Mopeds in den VW-Bus. Da haben Angelika und Toni aber Glück gehabt. Kurz nach unserem Aufbruch beginnt es zu regnen. Und in Nalut regnet es aus allen Kübeln, in Souara regnet es aus allen Kübeln, an der Grenze regnet es aus allen Kübeln, in Tunesien regnet es aus allen Kübeln. Im Laufe des Abends hört der Regen dann zum Glück endlich auf. Toni, Geli, der kleine Gregor, Ermanno, Claudia und ich erreichen um Mitternacht das Hotel La Kasbha in Kairouan, die anderen nächtigen irgendwo unterwegs neben der Straße. Beim morgendlichen Blick in den überdimensionalen Spiegel im Luxusbad des Hotelzimmers kriegt Geli einen Schreck: Wie kann man in 3 Wochen nur so dick werden? Der kleine Gregor hat den Aufenthalts jenseits jeglicher Zivilisation offensichtlich dazu genutzt, noch mal so richtig zuzulegen.Vor der Fähre in La Goulette treffen wir uns wieder. Während der Überfahrt schauen wir uns die vielen Fotos und die kleinen Filmchen, die wir mit den Digitalkameras gemacht haben, auf dem Laptop an und lassen so die Reise noch einmal Revue passieren. Auch jetzt müssen wir Ohins amüsanten Äußerungen über die Reisepartner – so gern es uns auch leid tut – widersprechen. Es war eine schöne, sehr vergnügliche Reise, auch zu neunt und wir würden am liebsten sofort umdrehen, um am Punkt 5a unsere Fährte wieder aufzunehmen. Doch das geht leider nicht. Für Toni und Geli beginnt in 2 Monaten ein neuer Lebensabschnitt. Für sie wird es vorerst die letzte Saharareise gewesen sein. Der kleine Gregor wird für ein Alternativprogramm mit andersartigen Highlights sorgen. Ich will auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder kommen, der Punkt 5a ruft. Ich könnte mir vorstellen, dass der ein oder andere aus unserer Reisegruppe wieder mit von der Partie sein wird. Claudia möchte, wenn es eben geht, auch wieder dabei sein. Dann werde ich wohl wieder des Öfteren zu hören bekommen: „Guck Du lieber mal nach vorne.“

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Gruppenbild am Um el Ma

PS: Der kleine Gregor hat mittlerweile fast pünktlich und komplikationslos zu Hause unter Mitwirkung der weitsichtigen Hebamme das Licht der Welt erblickt. Er heißt nicht Gregor, auch nicht Murzuq, sondern Luis Anton.