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Dez 5, 2020 | Nordafrika

Senegal- 2020

Reisebericht von Hans Peter Hauschild

Wir befinden uns auf der einzigen Straße, die von Europa in den Senegal führt. Heute Morgen haben wir Nouakchott, die Hauptstadt Mauretaniens, verlassen und kurven nun seit Stunden um die Schlaglöcher im zerborstenen Asphalt herum. Die Route Nationale wird gerade erneuert, und etliche Kilometer sind auch schon fertig, aber der Rest hat es in sich. Unser Bulli VW T3 wird hart gefordert, die Piste neben dem Straßenrest ist hartes Wellblech, schnell drüber führt zur Fahrt in einer riesigen Staubwolke, erst im letzten Moment sieht man den Gegenverkehr oder ein Hindernis.
Nach 140 Kilometern die Entscheidung: Geradeaus nach Rosso oder rechts ab nach Diama? In Rosso quert eine Fähre den Senegalfluss, in Diama kann man über die Staumauer fahren. Rosso gilt als Hexenkessel, der Grenzübertritt kann zum Albtraum werden wegen der Belästigungen und der Tricks der Schlepper. Also Diama – die 30 Kilometer fast neue Straße durch und über die Dünenlandschaft sind stellenweise auch schon durch überladene Lkws zerstört. Ab Keur Massène nochmal 45 Kilometer feste Piste auf und neben dem Senegal-damm entlang, dann die Grenze.

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Über die Grenze bei Diama.

Senegal ist das Europa nächstgelegene schwarzafrikanische Land, und doch wird es von vielen Reisenden gemieden. Geschichten von korrupten Polizisten und Zöllnern, die Reisenden das Leben schwer machen, schrecken ab. Aber wir haben die Lösung: Carnet ATA heißt sie. Als einziges Land der Erde betrachtet Senegal Touristenfahrzeuge als Handelsware, für die eine in Europa zuständige Industrie- und Handelskammer ein Warenbegleitpapier namens Carnet ATA ausstellen kann (ca. 90 Euro). Damit kann man dann beliebig ein- und ausreisen und entgeht der 250 Euro „Gebühr“ an der Grenze.
Der Agent Beybey und der Versicherer Amadou kennen uns schon vom letzten Jahr, fröhliche Begrüßung, dann ATA vorzeigen, Weiterreiseerlaubnis nach Dakar erhalten und ab. Wir haben hier an der Grenze auch schon mal von Freitag bis Montag verbracht – ohne ATA. War auch nicht schlimm, Mme. Fatou vom kleinen Restaurant hat uns mit nach Hause genommen ins Nachbardorf, uns bekocht und zum Fernsehen eingeladen. Über Nacht durften wir den Schlüssel zur Toilette am Platz verwalten.
Die Zebrabar ist erste Wahl zum Campen. Bei den Schweizern Martin und Ursula fühlen wir uns zu Hause. Seit 25 Jahren betreiben sie den ruhigen Platz bei Mouit südlich Gandiol direkt am Ostufer des meist träge dahinfließenden Senegals. Schattig unter Bäumen, luftig am Fluss, der Seewind kommt von Westen herüber, mit Aussichtsturm, Dachterrasse, Restaurant und bei Bedarf Taxi nach Saint Louis. Gemeinsames Abendessen, Martin holt seine Gitarre, die alten Lieder, damals in den Neunzigern, als alles anfing, die Strecke über die Westsahara geöffnet wurde, Martin LKWs von Reisenden aus Mauretanien abschleppte, ok, zu viele Erinnerungen, wir werden langsam alt.

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In St. Louis unterwegs.

Ein Besuch in Saint Louis lohnt sich immer, die alte französische Kolonialstadt auf der länglichen Flussinsel mit ihren langsam verfallenden historischen Gebäuden besticht durch eine Mischung aus Dekadenz und wimmelndem afrikanischem Leben. Wir fragen den Postkartenverkäufer, wo man einen Bikini kaufen kann. Im Marché natürlich – dem afrikanischen Marktviertel, schattig, eng, unübersichtlich, ohne Begleiter unmöglich, aber er kommt mit, bringt uns zielsicher zu den Damen, die hier im Gewühl Bademode anbieten, schnell ein paar Stoffe hochhalten, eine improvisierte Umkleidekabine schaffen und die Anprobe ermöglichen. Passt – verhandelt – gekauft.
Die Fahrt mit einer Calèche, einer der bunten Pferdekutschen durch St. Louis ist ein besonderes Erlebnis. Cissé erhält den Zuschlag, er ist unser Kutscher, und los geht’s. Gut informiert erklärt er die Geschichte der Stadt und einzelner Gebäude, für jedes Wunschfoto hält er die Calèche an. Am Atlantikstrand auf der schmalen Halbinsel „Langue de Barbarie“ zwischen Fluss und Meer zeigt er uns den Fischerort Ndar und bringt uns fast bis an die mauretanische Grenze, die hier seit kurzem einen Kontrollposten für Einheimische hat. Auf unseren Wusch hin hält er vor einem Stoffladen. Selbst beim Einkauf der schönen Stoffe berät er uns fachkundig, und wir bekommen sie zu einem günstigen Preis.
Frau Anh führt das Restaurant „La Saigonnaise“ in Saint Louis, Saigon war der Name ihrer Stadt in Indochina, der französischen Kolonie in Südostasien, woher sie stammt. Das Leben verschlug sie nach St. Louis im Senegal, sie eröffnete ihr Restaurant am nördlichsten Punkt der Insel St. Louis im Senegalfluss, lange her, kolonialer Plüsch, alte Fotos, Mme. Anh in jung, eine Schönheit, mit ihrem Mann, mit illustren Gästen, mit Gesellschaften und großen Fischen. La Saigonnaise ist eine gute Adresse. Mme. bedient uns selbst, zwischendurch streckt sie sich aus auf einem Sofa im Restaurant, es schmeckt, dazu eine Gazelle oder zwei – so heißt das Bier im Senegal – gut gekühlt. Mme. Anh wird schließen, das Alter, sie wird nach Frankreich gehen, ein neues Hotel soll hier gebaut werden, es ist vielleicht unser letzter Besuch bei der Frau aus Saigon – schade.

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Nach Darkar.

Leicht nordöstlich vor Dakar liegt der Rosa See, der Lac Rose, sein Wasser ist von gelösten Salzen rosa gefärbt. Hier endete jedes Jahr die legendäre Rallye Dakar, solange sie durch Afrika führte. Ein Franzose betreibt den hübschen Hotel-Campingplatz Le Calao du Lac Rose nahe des Südufers. Zimmer, Pool, Essen und viel Grün erfreuen die Gäste, die meist aus der Millionenstadt Dakar kommen. Wir übernachten und essen gut. Morgens stürzen wir uns in den stadteinwärts schleichenden Verkehr, Stop and Go auf der neuen Autobahn, dazwischen Bettler und Verkäufer, Zeitungen, Kekse, Klopapier, Getränke, Weihnachtsmützen, und wenn man kurz weiterkommt, hat der Händler das Fahrzeug beim nächsten Stop schon wieder eingeholt.
Dakar liegt auf einer Halbinsel im Atlantik, dem Kap Verde, die Insel Gorée mit den alten Sklavenhandelshäusern kann in der Bucht besichtigt werden. Vom Hafen fahren etliche Fähren hinüber – ein Muss! Rund um die Stadt führt eine Straße, die Corniche, von der aus jeweils der Strand oder die Innenstadt erreicht werden kann. Im Yachthafen gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit für Reisende mit Fahrzeugen.
Souley ist seit Jahren Parkwächter vor dem Hauptzollamt, wir vertrauen ihm, lehnen aber die angebotene Autowäsche ab. Nach dem Stempeln des Carnets (eine Stunde im Amt, keine Gebühr) brauchen wir noch eine Handykarte, die im Senegal mit Personalausweis registriert und angemeldet werden muss. Da braucht’s den Fachmann, und Souley kennt ihn. Wir lassen das Auto bei einem Kollegen, und Souley bringt uns zu Fuß in die Stadt zu einem Handykartenverkäufer, der schnell alles erledigt, und wir haben eine Orange-Karte!
Die graue Dunstglocke aus Smog lässt das Sonnenlicht kaum noch durch, und die Luft darunter heizt sich auf, es ist kurz nach Mittag , wir fahren. Wie will man dieses Problem je lösen?
Wahlplakate überall, Präsident Macky Sall möchte wiedergewählt werden, er verweist auf den Bau von Autobahnen und eines Flughafens weit außerhalb der Stadt Richtung Mbour. Wir sehen die Baustellen, Chinesen leihen und bauen, die Autobahn nach Touba ist fertig. Touba, das Zentrum des senegalesischen Islam, ist riesig, eine Stadt in Wachstumsexplosion. Menschen, Straßen, Moscheen, Handel, Autos – wir haben Mühe, hindurch zu finden. Wir kaufen etwas Obst und Gemüse an einer Kreuzung, kalte Milch, Joghurt und Wasser in einer der modernen Tankstellen mit angeschlossenem Mini-Supermarkt.

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Abenteuer Stellplatzsuche.

Es ist Abend, und wir brauchen einen Übernachtungsplatz. Außerhalb von Touba ist die Gegend einsam, kahle Flächen wechseln mit etwas Baumbestand ab, hier und da ein einzelnes Haus oder Gehöft. Gleich geht die Sonne unter, dann wird es schnell dunkel und kühl (!). Also hier: nach links von der guten Teerstraße runter, ein paar Hundert Meter auf ein Haus zu, Wendung hinter einen Baum und Motor aus. Es tut sich – nichts. Wir statten dem Haus einen Besuch ab und treffen einen Mann, mehrere Frauen und etliche Kinder an, die leider kein Französisch sprechen. Wir geben ihnen fragend zu verstehen, dass wir gern dort neben ihrem Haus übernachten würden. Sie nicken, stimmen offensichtlich zu. Der Mann kommt noch kurz mit raus, dann verschwinden wir im Bulli und legen uns hin. Es ist dunkel, windig und der Mond leuchtet durch Wolkenfetzen.
Mittagspause – wir biegen nach rechts vom Teer ab, halten auf der Piste auf ein Dorf zu. Zwischen den abgeernteten Feldern stehen Baobabs und locken mit Schatten. Kein Mensch zu sehen, wir queren das Feld und halten. Kurz aufs „Klo“, dann Ruhepause, Salat vorbereiten – Stimmen verraten Besuch. Eine unfreundliche Männergruppe hat sich eingefunden, einer macht den Sprecher und fragt nach unseren Absichten. Wir erklären unsere Reise und die Pause. Kurze Besprechung, dann der Platzverweis – dieses seien ihre Felder, kürzlich seien im Dorf Kinder verschwunden, man wünsche doch unsere Abfahrt. Ok, keine Frage, wir sind die Ausländer, also Start.
Zehn Kilometer weiter kurz vor einem Ort der nächste Versuch, runter vom Teer, kleine Senke, Bäume, Mittagspause II. Am Ortsrand tauchen Männer auf – aha – kurz darauf ein blauer 4×4 der Gendarmerie, er kommt direkt auf uns zu. Vier Gendarmen, kurze Begrüßung, korrekt, woher – wohin? Passeport, Assurance, ATA? Unser Wunsch nach Ruhepause wird akzeptiert, man werde die Leute im Dorf beruhigen, Mme. mache aber einen schönen Salat, unsere Einladung wird höflich abgelehnt. Ok, hier im Senegal schützt der Staat seine Bürger, das ist seine Aufgabe. Der Sprecher der kleinen Truppe verabschiedet sich. Wochen später, Kontrolle an der Brücke vor Fatick – ein freundlich grinsender Gendarm lässt uns stoppen. Wir trauen unseren Augen nicht, er ist es und freut sich total, uns wieder zu sehen. Noch lange winken wir uns zu.
Vermehrt treffen wir Lkws mit roten Kennzeichen (im Senegal sind diese blau), oft mehrere im Konvoi. Sie kommen aus Mali und versorgen das Binnenland und die Hauptstadt Bamako mit Waren und Treibstoff aus dem Hafen von Dakar. In Tambacounda teilt sich der Weg nach Osten in eine Nordstrecke über Kayes und eine Südstrecke über Kédougou. Beide sind ständig überlastet und etliche Abschnitte bestehen nur noch aus Schlaglöchern. Die ehemalige Bahnverbindung nach Bamako hat man verfallen lassen, sie wird nicht mehr benutzt.
Am Straßenrand liegen Zweige, Sträucher, dann ein LKW – er steht schräg, ein Rad fehlt, auch die Bremstrommel, eine mittelschwere Panne. Unter dem Wagen in seinem Schatten ein Lager, Matratze, Kocher, zwei Afrikaner bewachen das Fahrzeug, bis der Fahrer mit Ersatzteilen eintrifft und die Reparatur erledigt werden kann. Wir fahren hier niemals bei Dunkelheit.
Von Kaolack nach Gambia nehmen wir nach der Brücke über den Saloum die westliche Route entlang des Saloumdeltas Richtung Barra Fähre. Die gute Straße lässt uns schnell Toubacouta erreichen, einen ruhigen Touristenort mit Campement-Hotels und Bootsausflügen in die Mangrovensümpfe mit vielfältiger Vogel- und Tierwelt. Im Keur Saloum, einem vornehmen Hüttendorfhotel sind wir nicht willkommen, man ignoriert uns. Der Torsteher hat‘s schon geahnt, er raunt uns zu, wenn’s dunkel ist, könnt ihr hier neben dem Tor stehen, aber eine Dusche und etwas zu essen hätten wir schon gern. Also versuchen wir es bei der Africa Strike Lodge und haben Glück. Übernachten in unserem Bulli ist kein Problem, wir dürfen die Personalduschen nutzen und essen gut im Restaurant, der bärtige Barman serviert noch einige kalte Gazellen zu Erdnüssen satt, und Toubacouta wird immer schöner. Auf der Rückreise schauen wir hier noch mal vorbei.

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Monsieur Thiams Cashewplantage.

Bei einem kleinen Dorf in der Nähe hat M. Thiam, ehemals Gendarm bei Präsident Senghor, eine kleine Cashewplantage. Der alte Herr empfängt uns in seinem Gehöft und zeigt uns, wie man mit einem eisernen Gerät die nierenförmige Nuss knackt und den Kern möglichst heil herausbekommt.
Eine Sisyphusarbeit! Es gibt Maschinen dafür, aber die sind teuer. M. Thiam lässt mit einem französischen Partner gerade eine Fabrik in der Plantage bauen, um die Weiterverarbeitung, die derzeit in Indien (!) stattfindet, vor Ort zu organisieren. Wir sind erstaunt und wünschen viel Erfolg!

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Zum Wildpark Reserve de Fathala.

Kurz vor Gambias Grenze ist der Eingang zum Naturreservat und Wildpark Reserve de Fathala. Der Besuch ist teuer, eine Begleitung ist vorgeschrieben, auch die Fahrt im parkeigenen Aussichtsgeländewagen ist im Angebot. Wir nehmen dieses: Wagen, Fahrer, Begleiterin, zwei Personen, zwei Stunden, Tiere garantiert, da Handykontakt mit allen anderen Parkwächtern. Es wird sehr nett, wir sehen Affen, Büffel, Giraffen, Rhinozerus, Strauße und Warzenschweine. Löwen sind eingesperrt. Die Mehrzahl der Parkbesucher sind Pauschalurlauber aus Gambias Strandhotels, die in Kleinbussen eine Tagesfahrt hierher unternehmen. Nachdem sie am frühen Nachmittag weg sind, haben wir das Restaurant für uns allein. 

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Das Wetter ist durchwachsen, viele Wolken, zwischendurch Sonne, später zieht es ganz zu und regnet. Die Aussicht ist traumhaft, über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, und wie ist‘s in den Wolken? Immer wieder höre ich Murmeltiere pfeifen, sehe sie meist nur, wenn sie sich bewegen.

Ich verlasse den Camping und mache mich zum Sommeiller auf, dem angeblich höchsten legal befahrbaren Punkt der Alpen, auf 2.995 m liegt der Parkplatz. Ein kleiner See, wohl Reste eines Gletschers, eine verschlossene, architekturpreiswürdige Schutzhütte und eine kleine Wanderung ca. 100 Höhenmeter einen Grat hinauf zum Genießen und ja, auch zum Fotografieren. Hier oben ist die Luft schon merklich dünner.

Auf dem Parkplatz des Rifugio Scarfotti, auf ca. 2.160m Höhe, mache ich Brotzeit, bleibe ich eine Weile und genieße die Aussicht.

Da es hier so ruhig und friedlich ist, trotz der manchmal aufdringlichen Esel, beschließe ich, hier zu übernachten. Die Nachbarn bedauern, sie haben ihr Zeug noch auf dem Camping. Achim, der Syncrofahrer mit einem Hund, und Laura und Silas mit zwei Hunden und einem Oldtimer-Mercedes G, wollen ebenfalls übernachten.

Am Hang gegenüber scheint eine kleine Höhle zu sein, ich wandere hinauf, es ist keine Höhle, sondern eine Quelle. Hier setze ich mich auf einen Felsen, beobachte die Grashüpfer, die Schmetterlinge, die Wolken, die Berge, eine 4×4-Reisegruppe, die gegenüber die Piste hochkrabbelt, lausche dem Kuhglockengeläut der Herde unter mir. Ein dermaßen friedlicher und entspannender Augenblick, den ich so genieße, dass ich mich erst eine gute Stunde später wieder auf den Weg hinab mache.

Das Refugio macht für den Winter dicht, die Müllabfuhr leert die Tonnen und platziert sie hinter dem Gebäude, wir machen uns jeder sein Abendessen und setzen uns danach um ein Lagerfeuer.

Am nächsten Tag beschließen wir, gemeinsam auf den Jafferau zu fahren, von unserer Seite aus; der Startpunkt bei Bardoneccia liegt fast neben der Zufahrt der Sommeiller-Strecke. Zwischendurch einkaufen und tanken, fahren wir über das Forte Föens nach oben. Dort erzählen uns entgegenkommende Motorradfahrer, dass die Strecke auf der anderen Seite zwischen dem Tunnel nach Salbertrand wegen eines Erdrutsches unpassierbar sei, nur mit schmalen Motorrädern kommt man zwischen den Felsbrocken noch durch. Genau die Strecke, die die Campingplatznachbarn vor zwei Tagen noch gefahren sind.

Wir fahren erstmal weiter, hoch zum Fort Jafferau, wo es wieder zu regnen beginnt, so dass wir auf eine Besichtigung verzichten und zurück Richtung Salbertrand und durch den Tunnel fahren. Hinter diesem können auch drei Fahrzeuge stehen und vor allen Dingen wenden.
Wir laufen ungefähr einen Kilometer bis zur Erdrutschstelle, wirklich, das Holz der abgebrochenen Bäume ist ganz frisch, die Strecke für Fahrzeuge wesentlich breiter als ein Radl nicht passierbar. Also wieder dieselbe Stecke zurück, im Ort trennen wir uns, ich will nach Frankreich, Laura und Silas müssen Richtung Heimat, Achim hat noch mehr Zeit. Beneidenswert.
Über den höchsten Alpenpass, den Col d´Izoard, und weiter den Col Dell´Agnello fahre ich ins Mairatal. Den Camping Lou Dahu in Marmora im Mairatal hab ich als Tipp bekommen, dort lege ich einen Ruhetag ein, mal einen Tag lang nicht fahren.
Die Info, dass die Maira-Stura-Grenzkammstraße wegen Bauarbeiten geschlossen ist, bestätigt sich hier, aber von der Ostseite kann man das schönere Stück einen Gutteil entlangfahren. Leider spielt das Wetter nicht so mit, Nebel und Wolken, bis es mittags etwas aufreißt, da bin ich schon auf dem Rückweg.

Ich suche mir einen Camping Municipal aus und lande in St.-Andre-des-Alpes, zahle keine 20 Euro für zwei Tage auf einem wunderschönen Camping unter Kiefern. Eine Wanderung zum nächstgelegenen Hügel, auf dem steinerne Statuen der Heiligen Peter und Paul stehen, mit traumhafter Aussicht auf den Stausee, eine Menge Gleitschirmflieger und einem neugierigen Grashüpfer zu meinen Füßen.
Über einige Pässe komme ich am Nachmittag zum Lac du Mont Cenis, wo ich spontan beschließe, zu übernachten. Ein traumhafter Sonnenuntergang, blauer Himmel spiegelt sich im ebensolchen Lac.
Weiter durch Liechtenstein nach Österreich zum Sylvretta, wo ich übernachte. Über den Reschen fahre ich nach Südtirol, will dort zumindest noch eine Nacht bleiben. An der Grenze hält mich die Guardia di Finanza an, will wissen, ob ich Benzin in Kanistern dabei habe. Anscheinend gibt es aufgrund in Österreich billigeren Sprits einen erheblichen Benzinschmuggel von Österreich nach Italien … Diesel scheint die Herren nicht zu interessieren.
In einer endlosen Schlange von Tupperware (Wohnmobilfahrern), Traktoren mit Mords-Anhängern zur Wein- und Obsternte, Touries, viele BMW-Motorräder, von älteren Herren gesteuert (gibt’s eigentlich auch BMWs, die von jüngeren Herren oder Frauen gesteuert werden?) und Einheimischen kriechen wir Richtung Meran. Richtig, nächsten Dienstag ist ja Feiertag in D, langes Wochenende, das Wetter traumhaft und Törggelen ist auch angesagt. Da werde ich keinen freien Campingplatz mehr finden, die sind sicher seit Monaten ausgebucht. Nach einem Blick auf die Karte und einer Pinkelpause, bei der mich eine Gottesanbeterin misstrauisch beobachtet, entschließe ich mich, vorzeitig nach Hause zu fahren und lieber noch ein, zwei Motorradtouren zu unternehmen.

Von Meran über Dorf Tirol, Jaufen, Brenner und Mittenwald gehts schließlich heim.
Am nächsten Tag, Freitag, mache ich noch eine Tagestour mit meiner Royal Enfield Himalayan. Früh los, über den Sylvenstein, an dem ich bereits den ersten (Foto-)Stopp einlege, da über dem Wasser Nebelwolken treiben, die es über die Staumauer weht, das hatte ich bisher noch nie erlebt.
Am Achensee vorbei, ein Stück Inntalautobahn die Brenner-Bundesstraße hoch, am Brenner erstmal anhalten und in Ruhe einen Cappuccino genießen, danach rauf aufs Penser Joch. In den Kurven und Kehren folge ich zwei großen Reiseenduros mit italienischen Kennzeichen, könnte sogar schneller fahren, nur auf den längeren Geraden fahren sie mir mit meinen 24,5 PS davon. Auf dem Penser Joch die Aussicht genießend verzehre ich meine mitgebrachte Brotzeit.
Den Abstecher zur Sauburg und zum Noafer hebe ich mir für ein andermal auf, es ist schon spät, weiter zum Timmelsjoch, dort die Ausstellung auf der Passhöhe angeschaut. Das Gebäude kenne ich aus diversen Online-Architekturzeitschriften, es ist durchaus sehenswert. Bei der Abfahrt in einer Kehre weiter unten schmiert mir das Hinterrad kurz weg, fängt sich gleich wieder, war vielleicht ein Ölfleck oder ein Steinchen. Glück gehabt, muss auch mal sein.
Weiter unten 16 Euro Maut für eine einfache Motorradfahrt abgedrückt (Österreich ist nicht billig …), das Motorradmuseum wird ebenfalls für ein andermal aufgehoben. Durch kurzen Stau in Imst und viel Verkehr über den Fernpass, Ehrwald, Garmisch wieder heim nach Tölz.

Anmerkungen
Wenn ich mich nicht verzählt habe, waren das in den zwei Wochen insgesamt 30 Pässe, wenn man die Assietta und die Maira-Stura-Kammstraßen je als einen zählt, obwohl es dort jeweils über mehrere Pässe geht; aber auch Fort Jafferau, das eigentlich kein Pass ist, sondern eine Festung auf einem Gipfel. Kehren hab ich nicht gezählt; wen‘s interessiert, kann das ja z.B. auf alpenpaesse.de oder alpenrouten.de googeln. Gesamt knappe 3.150 km, davon knappe 2.700 mit dem Land Rover und 450 mit dem Motorrad. Der große Vorteil vom Defender ist, dass ich damit auf diversen Pässen etc. wild campen konnte (mit Klo an Bord). Das ist mit dem Motorrad wesentlich schwieriger.