NAMIBIA, ein Traumland
Reisebericht von Adolf Patz
Seit vielen Jahren, seit wir durch Afrika fahren, habe ich den Wunsch, auch Namibia zu besuchen. Endlich ist es soweit. Für 12. bis 24.12.2018 habe ich ein Zimmer in der Trans-Kalahari-Lodge gebucht. Sie liegt auf halbem Weg zwischen dem Hosea Kutako Flughafen und Windhoek. Sie ist der Ausgangspunkt für unsere Namibia-Tour.
Der Shuttle-Fahrer Abraham holt mich vom Flughafen ab. Er nennt mich Baba, was ich trotz meines Alters nicht ausgesprochen passend finde. Noch am Flughafen erwerbe ich für’s Smartphone eine SIM-Karte mit gehörigem Guthaben. Es ist noch früh am Tag (die Landung war gegen 7 Uhr), mein Auto steht gewaschen vor dem Zugang zum Zimmer. Ich gönne ihm eine Lackreinigung. Danach bin ich aber nach dem gut zehnstündigen Flug und der örtlichen Höhenlage von knapp 2000 Metern so müde, dass ich mich zum Schlafen zurückziehe.
13./15.12.18
Claudio trifft, wie versprochen, aus Südafrika ein. Das muss erst einmal begossen werden, traditionell mit Gin Tonic. Dann fahren wir zu Etzold nach Windhoek. Mein 100er hat zu wenig Power. Dagegen muss etwas getan werden. Etzold ist die richtige Adresse. Die Werkstatt ist auf Toyota spezialisiert und findet den Fehler. Am Turbo wurde irgendwann manipuliert. Weil ich schon in der Stadt bin, kaufe ich Wasser und Bier. Ansonsten ist relaxen ein Thema, denn die Nachwehen des Flugs und die Höhenlage der Lodge schränken die Aktivitäten ein.
16.12.18
Heute ist Sonntag. Wie wärs mit einem Gottesdienstbesuch? Die Christuskirche gehört zur evang.-luther. Gemeinde, in ihr wird in Deutsch gepredigt. Und sie liegt so über Windhoek, dass man von ihr einen wunderbaren Blick über die Stadt hat. Schon eine Stunde vor Messebeginn bin ich vor Ort. Gelegenheit, das in unmittelbarer Nachbarschaft und in starkem Kontrast zur Kirche stehende Unabhängigkeitsdenkmal zu besichtigen. Es erinnert an den ersten Präsidentendes 1990 von Südafrika unabhängig gewordenen Staates. Obwohl oder vielleicht gerade deshalb, weil ich schon lange keine Kirche mehr von innen gesehen habe, beeindruckt mich die Feier. Am Ende geben sich alle Besucher die Hand, ich bin nicht ausgenommen. Anschließend gehe ich über die Independence Avenue, die Hauptstraße Windhoeks. Sie wurde 1890 mit der Gründung der Stadt durch den Offizier der deutschen Schutztruppe Curt von Francois angelegt. Es ist nicht die einzige Erinnerung an die deutsche Besatzung. Zahlreiche Gebäude in schön restauriertem Zustand sind zu sehen und vor allem viele Straßenbezeichnungen in Deutsch. Insgesamt ist die Stadt aber ziemlich menschenleer. Das liegt daran, dass die Windhoeker am Wochenende ans Meer fahren.
17./23.12.18
Diese Tage vergehen unspektakulär, wenn man davon absieht, dass es am Freitag Nachmittag ein so heftiges Gewitter gibt, dass die Stromversorgung vorübergehend ausfällt. Am Sonntag fahre ich zum etwa 80 Kilometer nördlich von Windhoek gelegenen Okahandja, um mich auf dem bekannten
Kunsthandwerksmarkt umzusehen. Helga wünscht sich zu dem bereits vorhandenen Hippo ein passendes Gegenstück. Ich finde dort, was ich suche, handle den Preis herunter und mache mich auf den Rückweg.
24.12.18
Die Gruppe ist eingetroffen. Am Abend wird ein umfangreiches Buffet geboten. Wir feiern Weihnachten im Sommer. Ist ja nicht zum ersten Mal, seit wir in Afrika herumreisen. Aber schon gewöhnungsbedürftig. Der „Christbaum“ besteht aus einem Holzgestell, an dem buntes Zeug hängt. Auch das Restaurant ist geschmückt, ähnelt aber eher dem, was wir unter Fasching verstehen. Das alles beeinträchtigt unsere Begeisterung aber nicht. Es wird ein stimmungsvoller Abend.
25.12.18
Schöne Bescherung! Bei einem zufälligen Blick in meinen Pass stelle ich fest, dass mein Visum statt bis zum 10.1.19 nur für 10 Tage gilt! Bei der Einreise am Flughafen bin ich wohl missverstanden worden. Ich bin seit vier Tagen illegal im Land! Das Hotelmanagement stellt den Kontakt zum Polizisten Katimi her, der mir morgen helfen wird. Meine Stimmung ist wieder auf
gutem Level. Am Abend haben wir ein lustiges Geschenkespiel.
26.12.18
Nach dem Frühstück holt mich Katimi ab. Wir fahren zu seiner Dienststelle, an der ich den Sachverhalt erkläre. Morgen sind die Ämter wieder geöffnet, dann wird er mit mir zum Immigration Office fahren. Die Visumverlängerung wird mich N$ 580 kosten. N$ 200 erhält Katimi für seinen Service. Na ja, etwa 50 Euro sind bei den Gesamtkosten der Reise zu vernachlässigen. Am späten Vormittag startet die Gruppe in Richtung Süden. Das bedeutet, dass ich erst einmal allein unterwegs sein werde.
27.12.18
Um 9.30 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Lüderitz. Um sobald wie möglich auf die Gruppe aufschliessen zu können, habe ich vor, auf der B1 bis Mariental zu fahren, dann die C19 nach Maltahöhe zu nehmen, von dort die Piste der C14 bis Helmeringhausen und die der C13 bis zum Ort Aus. Dann habe ich die B4 und wieder Asphalt unter den Rädern. Nach weiteren 120 Kilometer wäre ich dann am Ziel. Insgesamt habe ich 720 Kilometer zurückzulegen. In Mariental werde ich einer peniblen Polizeikontrolle unterzogen. Der Officer spricht Deutsch, was die Verständigung erleichtert. Nachdem er am Fahrzeug nichts beanstanden kann, weist er mich noch auf die fehlende Versicherungsplakette hin. Doch ich zeige ihm meinen internationalen Versicherungsschein, und mit einem säuerlichen Lächeln wünscht er mir gute Fahrt. Die Abzweigung nach Maltahöhe hat offenbar vor kurzem eine Teerdecke bekommen, so dass die 120 Kilometer im Nu zurückgelegt sind. Nicht weniger schnell bin ich dann auf den Pisten C14/13. Sie sind in hervorragendem Zustand. An der Campsite Tirool mache ich nach sechsstündiger Fahrt eine ausgiebige Rast. Von da an wird die Landschaft eintönig. Weite Grasebenen bestimmen das Bild, besonders in der Umgebung von Garub, wo Hunderte von Wildpferden beheimatet sein sollen. Ich sehe nicht ein einziges. Dafür treffe ich bei der Einfahrt in Lüderitz an der Tankstelle die Gruppe. Mit großem Hallo werde ich begrüßt. Später quartieren wir uns in das Guesthouse Obelix ein. In der urigen Hotelbar lassen wir den Tag ausklingen.
28.12.18
Ich mache einen Stadtrundgang. Neben Swakopmund soll Lüderitz die deutscheste Stadt Namibias
sein. Die vielen aus der Gründerzeit stammenden Häuser sprechen dafür. Das schönste dürfte das Haus Goerke sein. Hinter dem Haus liegt der Diamantenberg, mit einem schönen Blick auf Lüderitz. Auf der anderen Seite des Berges steht die Felsenkirche, 1912 erbaut, überwiegend durch Spenden aus Deutschland finanziert und, wie die Christuskirche in Windhoek, mit einem von Kaiser Wilhelm II gespendeten Buntglasfenter geschmückt. Am Nachmittag mache ich einen Ausflug an die Küste. Lüderitz hat seine Gründung den zwei Buchten zu verdanken, die für die Schiffahrt von Bedeutung waren und sind. In der größeren landete 1488 Bartolomeo Diaz, der von seinem König den Auftrag hatte, einen Seeweg nach Indien zu finden. An der Diazspitze erinnert ein Steinkreuz an ihn. Wegen des andauernden stürmischen Windes muss ich mich, um überhaupt Aufnahmen machen zu können, hinter die Felsen ducken.
29.12.18
Heute beginnt der abenteuerliche Teil unserer Reise, und die Tanks sind mit insgesamt 320 Litern Diesel gefüllt. Etwa 500 Kilometer werden wir in den Dünen der Namib nach Norden bis nach Walfishbay fahren. Wir haben den Trip vor einem Jahr bei der Authority angemeldet und einen nicht unerheblichen Betrag im Voraus bezahlt, denn ohne Erlaubnis und ohne Führer wäre das nicht möglich. Wir sind ungeduldig, können es nicht erwarten, die Dünen zu erreichen. Wir nähern uns ihnen über grasige Ebenen. Noch 50 Kilometer legen wir zurück, bis wir sie erreichen. Die Dünen sind sofort anspruchsvoll. Rechtzeitig haben wir den Luftdruck in den Reifen reduziert. Es bedarf einiger Überwindung, mit 0,5 bar zu fahren. Das ist aber nicht der Grund, warum Giancarlo sein Auto umwirft. Es war ein Fahrfehler, den er an einer rechts abfallenden Sandrippe begangen hat. Es dauert, bis das Auto wieder auf den Rädern steht. Er hat Glück, bis auf ein paar Dellen an der Karosserie und einem Schock seiner Beifahrerin kommt er glimpflich davon. Weil wir Zeit verloren
haben, campen wir hier.
30.12.18
Seit gestern Abend sind mein Besteck und mein Trinkglas verschollen, ein herber Verlust. „Fats“, unser Führer, von mir so genannt wegen seiner Leibesfülle, aber ein begnadeter Dünenfahrer, ist sauer auf mich, weil ich um wenige hundert Meter vom Track abgewichen bin. Gebe mich zerknirscht, meine Entschuldigung wird akzeptiert. Bei 11 Fahrzeugen ist es unvermeidlich, dass sich die Gruppe auseinander zieht und hie und da Wartezeiten entstehen. Bin deshalb so frei, nehme den Platz hinter Fats ein. Ich kann euch sagen: Es ist der Himmel auf Erden, und zwar im Sandsurfen. Hinter diesem begnadeten Offroader zu fahren ist ein Erlebnis, das ich nie zu Zeiten unserer Saharareisen gehabt habe und nie vergessen werde. Die Temperatur fällt von 35 auf 24 Grad: Wir sind nur noch 16 Kilometer vom Ozean entfernt. Doch erst nach 100 Fahrkilometern erreichen wir die Küste. Die Krönung dieses erfolgreichen Tages: Besteck und Trinkglas finden sich im Abfallsack! Unser Camp überfliegt ein Hubschrauber. Er kontrolliert, ob unsere Anwesenheit rechtlich einwandfrei ist und erkennt es an den Führerautos.
31.12.18
Ein ungemütlich kalter Morgen. Die Küste ist in Nebel gehüllt, die Sicht stark eingeschränkt. Erst nach Stunden löst sich der Nebel auf. Wir fahren bis zum Namab Tent Camp. Am Abend feiern wir Silvester, laut und lustig wie üblich. Giancarlo versucht wieder, seine Montgolfieren steigen zu lassen. Hat diesmal kein Glück, sie heben nicht ab. Um 22 Uhr ziehe ich mich zurück.
1.1.19
Für die nächsten 90 Kilometer fahren wir bei Ebbe am schmalen Küstenstreifen entlang. Es empfiehlt sich, möglichst nah an den aufsteigenden Dünen zu fahren. Das beherzigen Paolo und Vulvio nicht. Also stecken sie im feuchten Sand fest, zeitaufwändige Bergungen sind die Folge. In kurzen Abständen passieren wir große und kleine Robbenkolonien, Wüstenfüchse schleichen um sie herum. Sie hoffen auf leichte Beute. Wir kommen zum Wrack des Schiffes von Captain Barrow. Er geriet 1909 auf der Fahrt nach Süden in einen Sturm. Das Schiff musste aufgegeben werden, liegt jetzt 100 Meter vom Meer entfernt. Soviel Sand hat der Ozean inzwischen produziert. Bei Giovannis Leihwagen ist einer der vier Zylinder ausgefallen. Auch ich bleibe von Schäden nicht verschont. Bei Reparatur der Pumpe, die den Diesel vom Zusatz- in den Fahrzeugtank befördert, verursache ich im Auto eine „Ölquelle“. Nähere Beschreibungen erspare ich mir.
2.1.19
Der Diesel neigt sich beim einen oder anderen Auto zu Null. Ich gehöre zu denen, die noch Reserven haben. Also gebe ich 75 Liter ab. Fats und ich tauchen in eine tiefe Mulde. Wir sehen erst an deren Grund, wie tief sie ist und wie steil die Ränder aufragen. Wie ein Steilwandfahrer versucht Fats Höhe zu gewinnen und den Muldenrand zu erreichen. Beim dritten Versuch gelingt es ihm. Ich tue es ihm nach. Aber die Spuren, die wir inzwischen in den Sand gegraben haben, machen es mir unmöglich, Höhe zu gewinnen. Um keinen Motorschaden zu verursachen, gebe ich entnervt auf. Inzwischen hat die Gruppe den Rand erreicht. Claudio ist mein Retter. Dieser begnadete Sandfahrer schafft es, das Auto nach oben zu bugsieren. Nach diesem frustrierenden Erlebnis sehne ich die Mittagspause herbei. Wir fahren aus den Dünen an den Strand. Während wir unsere „Menus“ zu uns nehmen, lassen wir uns von den Robben unterhalten. Sie spielen in der Brandung surfen. Der nächste Patient ist Marcos alter Land Rover. Der Motor reagiert völlig selbständig. Die Drehzahlen gehen plötzlich hoch, aus dem Auspuffrohr quellen schwarze Rauchwolken. Selbst unsere „Sachverständigen“ (und davon gibt es tatsächlich einige) wissen keinen Rat. In mäßigem Tempo gehen wir die letzten 90 Kilometer bis Walfishbay an. Dass der Abend feucht und entsprechend fröhlich wird, ist wohl dem erlittenen Stress und dessen Kompensation zuzuschreiben.
3.1.19
Noch 35 Kilometer fahren wir am Strand entlang, dann biegen wir in die Stadt ab. In den Lagoon Chalets quartieren wir uns ein. Ich entscheide mich für Camping, weil die „Separees“ recht großzügig sind und meines nahe bei den Duschen liegt
4.1.19
Seit wir aus den Dünen sind, habe ich ein störendes Geräusch an der Hinterachse. Es sind die Bremsklötze, denen im Sand einiges zugemutet worden ist. Man empfiehlt mir Behnke´s
Garage. Es ist vor 8 Uhr, das Gitter zum Eingang ist mit zwei Schlössern gesichert. Also geschlossen. Während ich warte, hält neben mir ein Pkw, und ein beleibter Weißer erklärt mir,
dass Behnke bis kommenden Montag geschlossen hat! Doch er wird ihn sofort anrufen. Er übergibt mir sein Handy, Behnke spricht deutsch! Er kommt in einer halben Stunde! Halleluja! In einem Tempo, das ihm den Schweiß auf die Stirn treibt, wechselt er die Bremsbeläge. Ein weiteres Beispiel für die Hilfsbereitschaft, die ich überall in Namibia erfahren habe. Von Walfishbay machen wir einen Abstecher nach Swakopmund. Ich erkunde den Ort: Überall deutsche Straßennamen und Hausbezeichnungen. Besonders erwähnenswert: Woermannhaus (ehemals Verwaltung einer Hamburger Reederei), Hohenzollernhaus und Amtsgericht. Ich gehe die mit Palmen und Blumen geschmückte Promenade entlang bis zum hochaufragenden Leuchtturm, einem weiteren Beispiel der kolonialen Vergangenheit.
Wir haben auch die Erlaubnis für den Namib-Naukluft-Nationalpark. Auf schneller Piste fahren wir etwa 100 Kilometer bis Homeb, wo das Elternhaus unseres Führers steht. Auf der Karte ist ein Campingplatz angegeben. Also: Homeb besteht allein aus dem landwirtschaftlichen Anwesen und einem derart naturbelassenem Platz, der sich kaum zum Campen eignet. Er liegt am Rand des (trockenen) Kuiseb Rivier in einem Wald, dessen Bäume zum großen Teil nicht mehr stehen, sondern kreuz und quer auf dem Boden liegen. Wildromantisch, mit deutlicher Betonung auf „wild“. Unserem Faible für offroad kommt es entgegen.
5.1.19
Wir fahren im Wadi des Kuiseb nach Osten. Wegen der Staubentwicklung halte ich Abstand zum Vorausfahrenden und übersehe, dass die Piste das Flussbett verlässt. Erst nach einigen Kilometern fällt mir auf, dass keine frischen Spuren vor mir sind. Als ich mühsam wende, kommt mir auch schon Claudio entgegen, der meinen Irrtum mitbekommen hat. Der Ausstieg aus dem Kuiseb besteht in einem felsigen Anstieg, der in einer weiten Hochebene endet. An deren nördlichen Rand haben wir einen fantastischen Blick zurück auf das Tal des Flusses. Rechts die dunklen Berge, in der Mitte das Grün des Flusstals und links das Gelb-Rot der Dünen. Auf Rüttelpiste fahren wir zur Hauptpiste und über den Gamsbockpass Richtung Windhoek. 30 Kilometer vor der Stadt erhalte ich den Hinweis „Reserve“. Wohl mit den letzten Tropfen Diesel erreiche ich eine Tankstelle.
6.1.19
Heute ist Packtag, das Auto muss gereinigt und verstaut werden, die Hotelkosten sind abzurechnen. Morgen ist eine weitere Etappe in Afrika zu Ende.
Mein Traum hat sich erfüllt