Eine Kameltour im Süden Tunesiens – Dirk Pierson

Mai 26, 2025 | Nordafrika, Reiseberichte

Eine Kameltour im Süden Tunesiens

von Dirk Pierson

Vorgeschichte
Auf einem Clubtreffen fragte mich Burkhard, ob ich nicht Lust hätte, mich einer Kamel-Wanderung zum „verlorenen See“ anzuschließen. Der genannte See interessierte mich zwar nicht wirklich, aber eine Wanderung in der Sahara hätte was! Wir machten die Tour zu zweit, aber Burkhard organisierte alles perfekt und auch noch günstig.

Hier nun Auszüge aus meinem Tagebuch:

Samstag, 23.11.

Im Zug sind 1860er Fans und ein gestresster Zugführer, wir erleben einen Polizei-Einsatz und haben 40 Minuten Verspätung. Zehn Minuten vor dem Flughafen bin ich kurz vor dem Herzinfarkt. Burkhard, die gute Seele, wartet am Check-in auf mich. Erst im Flieger bin ich entspannt. Den Abend verbringen wir all-inclusive im 4-Sterne-Touristenhotel auf Djerba: sehr cool, aber was macht man da nach zwei Tagen?
Sonntag, 24.11.

Nach dem üblich gigantischen Frühstücks-Bufett werden wir von Guide und Fahrer abgeholt und brettern mit einem Zwischenstop im Restaurant „Orient“ in Matmata Nouvelle nach Douz. Dort machen wir einen Besuch bei Sophie auf dem Campingplatz, genießen einen entspannten Nachmittag und übernachten im kleinen „Hotel 20 Mars“ gleich beim Marktplatz.
Montag, 25.11., Wüstentag 1:

Morgens um neun Uhr geht’s im Toyo weiter über Café du Park, östlich am Nationalpark vorbei. Am Tembaine werden wir abgesetzt. Nach einem Sandwich-Mittagessen steigen Burkhard und ich auf den kleinen Tafelberg, genießen die Aussicht und suchen in der Ferne unser Tagesziel: den Bir Tembaine. Nach dem Abstieg laufen wir zu zweit etwa in Luftlinie (allein!) Richtung Brunnen. Sehen kann man ihn tatsächlich erst, wenn man ihn gefunden hat! Die von Abdallah avisierten „10 Minuten“ sind dann über vier Kilometer in fast einer Stunde. Hier warten Abdallah, unser Guide, sowie Achmed, der Kamelführer mit den drei Last-Kamelen. Sie sind schon vor uns angekommen. Zum Abendessen gibt’s Couscous mit Hammel! Ich suche mir ein Plätzchen im feinen Sand für Isomatte und Schlafsack.

Dienstag, 26.11., Wüstentag 2: Die Nacht war nicht kalt, aber der Schlafsack ist außen ziemlich nass. Direkt über mir hat Orion fast die ganze Nacht auf uns aufgepasst. Frühstück um sieben Uhr mit Sonnenaufgang, um acht Uhr setzt sich unsere kleine Karawane in Bewegung. Schon nach zweieinhalb Kilometern geht es ins Auf und Ab der Dünen, südwärts, wie der Vogel fliegt. Die Kamele geben das Tempo vor, und das ist zügig! Nach ’nem Foto-Stop muss man sich sofort sputen, um wieder ranzukommen. Ansonsten hat man die Wahl zwischen intensiver Unterhaltung mit Gefährten oder einfachem, stillen Folgen der kleinen Karawane. Etwa alle zwei Stunden machen wir eine Marschpause, nach 17 Kilometern erreichen wir gegen 16 Uhr den Übernachtungsplatz. Jetzt ist Anpacken angesagt. Gemeinsam befreien wir die schwerbeladenen Kamele von ihrer Last aus Wasser, Lebensmitteln und Ausrüstung. Sobald die Kamele versorgt sind, beginnen Achmed und Abdallah mit der Zubereitung des Abendessens. Der Daunenschlafsack ist auf dem Kamelrücken natürlich prima trocken geworden. In der Ferne hören wir später noch einen Schakal. Ich übernachte wieder im Freien.

Mittwoch, 27.11., Wüstentag 3:

Schon bald nach sechs Uhr krabbele ich aus meinem Schlafsack und geselle mich zu Achmed, der bereits das Feuer für Brot und Tee anschürt. Irgendwann kommt Abdallah dazu, und völlig still genießen wir das Morgenrot und den beginnenden Wüstentag. Burkhard entdeckt direkt an meiner Isomatte die Spuren des Schakals. Da hatte ich wohl Besuch letzte Nacht!Ab jetzt startet die Karawane eine halbe Stunde später, da es morgens doch noch dunkel und frisch ist. Die Strecke ist ähnlich wie gestern: Die Dünen bilden Kessel, in der Mitte jeweils ein steiniges Stück, in welchem man gut vorwärts kommt. Die Dünengürtel selbst sind weich und teils sehr steil. Am Nachmittag weht kein Wind, es ist recht warm und das Laufen anstrengend. Heute nur 13 Kilometer.Unser schöner Lagerplatz ist oberhalb der Retour-Piste, und eigentlich rechnen wir nicht mit Wüstenfahrern. Wir liegen längst alle in Zelt oder Schlafsäcken, als wir den Lärm mühsam vorwärts kommender Fahrzeuge hören. Ein Quad und drei Geländewagen wollen scheinbar auch spät im Dunkeln unbedingt noch den verlorenen See erreichen. Sie befahren die Dünenzüge in der falschen Richtung und stecken immer wieder fest. Irgendwann muss ich aus dem Schlafsack und mich bemerkbar machen, um nicht übersehen zu werden. Nach etwa einer Stunde ist der nächtliche Spuk wieder vorbei

Donnerstag, 28.11., Wüstentag 4:

Unsere kleine Karawane tut sich leichter mit den nächsten Dünengürteln. Nach ungefähr acht Kilometern und schon gegen Mittag taucht ein grüner Streifen aus Buschwerk unter uns auf, und wir erreichen den Ain Erreched, den verlorenen See. Eigentlich ist es kein See, sondern eine aus einer Bohrung entstandene Quelle. Um diese Uhrzeit ist nicht viel los. Wir sind fast allein und genießen das Bad im warmen Wasser. Dank Solartechnik gibt es im kleinen Café sogar gekühlte Getränke, Kaffee, Tee … Wir gönnen uns heute und morgen jeweils einen halben Ruhetag.

Freitag, 29.11. Wüstentag 5:

Morgens gehen wir nochmal baden, ich spendiere mir einen Espresso aus der Maschine des Cafés. Nach dem Mittagessen werden die Kamele beladen, und wir ziehen weiter. In nordöstlicher Richtung wenden wir uns wieder weg von den Pisten und suchen erneut die Einsamkeit.
Traumhaft schön bleiben wir zuerst weit oben auf einem Dünengürtel. In der Ferne sehen wir nochmal eine sich mühsam vorwärts kämpfende Gruppe von Fahrzeugen. Unser Lagerplatz ist wieder ruhig und friedlich am Osthang eines Kessels. Bei der Auswahl des Platzes hat das Futterangebot für die Kamele immer höchste Priorität, das bedeutet, dass die Sonne morgens erst recht spät wärmt. Wie immer warten auch schon zwei Raben auf unseren Abmarsch, um den Platz von Essensresten zu säubern (Sonstiger Müll wird immer mit dem Aufbruch verbrannt).

Samstag, 30.11., Wüstentag 6:

Schon beim Aufstehen fühle ich mich nicht wohl. Das Laufen ist anstrengend. Mittagspause, Magnesium, Salzmandeln, Power-Riegel … nichts hilft. Am Nachmittag schleppe ich mich nur noch vorwärts. Burkhard ermahnt mich immer wieder, mehr Wasser zu trinken. Wir erreichen trotzdem nach zwölf Kilometern das Tagesziel.
Mein verrenkter Magen ist die Ursache. Der letzte Kaffee am See war wohl nicht ok. Burkhard spendiert einen Magentee und gibt mir noch eine warme Decke. Ich schlafe zum ersten Mal im Reserve-Zelt. Mitten in der Nacht wache ich auf und fühle mich schon besser. Ruhe und Wärme haben für die Genesung genügt.

Sonntag, 1.12., Wüstentag 7:

Mir geht’s wieder super. Wir laufen wieder durch herrliche Dünen. Nur das letzte kurze Stück führt parallel zur Piste an Camp Mars (ein Luxus-Zeltdorf mit Duschen, Toiletten, Bar …) vorbei. Für die drei Tage Rückweg von Kamelen und Kamelführer muss noch mal Wasser aufgefüllt werden. Wir ziehen weiter und finden einen schönen Platz unterhalb der Nordseite des Tembaine, nach immerhin 17 Kilometern Fußmarsch.


Montag, 2.12., Wüstentag 8:

Heute ist ein halber Ruhetag. Wir schauen auf eine Cola beim einsamen Café am Tembaine vorbei, und heute gibt es sogar ein Telefonnetz, bei einem bestimmten Platz mit Stuhl!
Gegen Mittag geht’s dann wieder los, zuerst zügig durch ein steiniges Reg, dann nochmal über einen Bilderbuch-Dünengürtel. Zum letzten Mal kann ich alleine hinter den Kamelen vollständig in meinen Gedanken abtauchen.

Dienstag, 3.12., Wüstentag 9: Es geht durch ein herrliches Dünenfeld. Wir laufen zügig, die Kamele haben nur noch leichtes Gepäck. Gegen Mittag erreichen wir steiniges Gelände und streifen am Ostrand des ehemaligen Park National eine breite Piste. Der Zaun ist beschädigt und durchlässig. Antilopen gibt es keine mehr. Die Mittagspause lassen wir heute ausfallen. Wir biegen wieder von der Piste weg und suchen am Rand der Felsen einen schönen Übernachtungsplatz. Wir haben einen herrlichen Ausblick. Auf der nahen Piste ist zum Glück praktisch kein Verkehr. Am Abend haben sich mal wieder die Kamele davon geschlichen. Es dauert eine Stunde, sie wieder einzusammeln. Es ist dann die letzte Nacht unter dem unglaublich schönen Wüstenhimmel.

Mittwoch, 4.12., Rückreise:

Pünktlich um neun Uhr erscheint unser Fahrer mit Toyo am vereinbarten Platz. Unsere Wege trennen sich. Achmed zieht mit den Kamelen alleine weiter, für ihn bis Douz noch ein anstrengender 3-Tages-Marsch. Abdallah steigt in Douz aus, und wir werden am frühen Nachmittag wieder im Hotel auf Djerba abgesetzt.

Donnerstag, 5.12.:

Nach den zehn Marschtagen haben wir uns zwei Tage Luxuserholung im 4-Sterne-Ressort verdient. Außer einer Strandwanderung und einem Abstecher nach Midoun ist Nichtstun angesagt.

Freitag, 6.12.:

Nach einem großen, letzten Frühstücksbufett bringt uns ein Taxi zum Flughafen. Aufgrund von heftigen Stürmen im Mittelmeer geht es erst verspätet und mit Umweg über Tunis zurück nach Frankfurt. Durch die Rail&Fly-Option erreiche ich dann ohne Ticketstress im Laufe der Nacht mein Zuhause.

Allgemeines/ Alltag/ Info:

Essen: Frisch gebackenes Brot zum Frühstück, einen großen Salat zum Mittag, Couscous/ Nudeln/ Reis zum Abendessen, immer lecker und abwechslungsreich! Frisches Obst und Datteln in den Pausen.
Laufen: Zügig, aber machbar. Von uns hatte keiner irgendwelche Beschwerden. Unser Guide hatte die Pausen perfekt gesetzt.
Schlafen: Ich habe perfekt mit Isomatte und Schlafsack unter freiem Himmel geschlafen, genauso wie unser Guide. Deutlich mehr Komfort bietet natürlich ein kleines Kuppelzelt, wie es Burkhard dabei hatte. Morgens zwischen vier und sechs Uhr war es recht frisch!
Kamele: Unsere drei Kamele waren Lasttiere ohne Reitsättel. Auf dem Rückweg oder im Notfall wäre das Reiten möglich gewesen. Die Unterstützung beim Auf- und Abladen ist notwendig und selbstverständlich.
Tiere: Man sieht sehr viele Spuren, insbesondere am Morgen, von Mäusen, Vögeln, Hasen, Fennek, Schakal … Schlangen oder Skorpione haben wir nicht bemerkt.
Reise: Bahnfahrten, Flüge und Hotel auf Djerba hatte Burkhard als Pauschalreise gebucht. Den Rest hat unser sehr empfehlenswerter Guide Abdallah (abdallahfersani@yahoo.fr) organisiert. Er spricht arabisch, französisch, englisch, deutsch …